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Transkript des Interviews mit Roland Baader in "Streiflichter des Lebens" auf Radio RTL in 2003. Transkribiert mit rev.ai, manuell korrigiert. Kann Fehler enthalten, insb. Eigennamen, z.B. Nachname des Moderators.

Roland Baader, Streiflichter des Lebens, Radio RTL, 2003

Teil 1

Rouvekia

Streiflichter des Lebens. Eine Sendung von und mit Alexander Rouvekia, der Persönlichkeiten des musikalischen, literarischen und wissenschaftlichen Lebens von hier und anderswo vor sein Mikrofon bittet. Streiflichter des Lebens, eine Originalsendung, die von Radio RTL 103,5 FM am 1. und 2. Mittwoch jeden Monats von 9:02 bis 9:30 Uhr ausgestrahlt und am 3. bzw. 4. Mittwoch jeden Monats um dieselbe Zeit wiederholt wird.

Meine Damen und Herren, der Gast unserer Sendungen im Juni und Juli ist Herr Roland Baader, derzeit bekanntester populärwissenschaftlicher Freiheitsdenker des deutschen Sprachraums. In allen seinen Schriften und Vorträgen zeigt er unseren Zeitgenossen, wenigstens denjenigen, die wirtschaftlich und politisch interessiert sind, welchen Trugbildern sie alltäglich aufsitzen und in welchen Denkfallen sie sich gefangen halten lassen. Der Diplom-Volkswirt Roland Baader, Jahrgang 1940, ist klassisch-liberaler Nationalökonom und Sozialphilosoph. Er hat bei dem Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek studiert und nach 20-jähriger erfolgreicher Unternehmertätigkeit wurde er freier und absolut unabhängiger Autor. Mit bislang 10 Büchern, 20 Buchbeiträgen, über 200 Zeitschriftenartikeln und enorm vielen Vorträgen hat sich Baader einen Ruf als herausragender Freiheitsdenker erworben. Er ist Mitglied der internationalen Mont Pèlerin Society und der deutschen Friedrich August von Hayek-Gesellschaft. Unser Gespräch ist außerordentlich interessant, deshalb wurde absolut nichts gekürzt, was uns wiederum zwingt, den Stoff in sieben oder sogar acht Sendungen zu teilen. Die Wiederholung wird deshalb sehr problematisch, vielleicht unmöglich. Unser Motto entnehmen wir aus dem Werk On Liberty von John Stuart Mill.

"Wenn alle Menschen einer Meinung wären, außer einer, und diese einzige Person der gegenteiligen Meinung wäre, hätten die Menschen genauso wenig das Recht, diese Person zum Schweigen zu bringen, als diese Person, hätte sie dazu die Macht, das Recht hätte, alle anderen Menschen zum Schweigen zu bringen. Das besonders Böse beim Unterdrücken der Äußerung einer Meinung ist, dass es die Menschen ihren Nachkommen so gut wie die lebende Generation beraubt. Diejenigen, die eine abweichende Meinung haben, noch mehr als die, die diese Meinung teilen. Falls die abweichende Meinung richtig ist, sind die Menschen der Gelegenheit beraubt, Irrtum mit Wahrheit zu tauschen. Wenn die Meinung falsch ist, verlieren sie das, was ein noch größerer Gewinn wäre, nämlich die deutlichere Wahrnehmung und den lebendigeren Eindruck der Wahrheit, den sie durch ihre Kollision mit Irrtum erzeugt.

Herr Baader, wir haben allerlei besprochen bevor ich das Mikrofon eingeschaltet habe, und Sie wissen schon ungefähr die Fragen, die ich beantwortet haben möchte. Nicht zu verwechseln mit gewünschten Antworten. Das lehne ich ab. Sie haben das Wort.

Baader

Dankeschön. Ja, ich bin auf Ihre Fragen gespannt. Ich möchte kein besonderes Statement abgeben, vielleicht nur eines vorweg. Es freut mich natürlich sehr, dass Sie sich für meine Schriften interessieren. Da gehören Sie zweifellos zu einer Minderheit, obwohl meine Leserschaft immer größer und breiter wird. Aber die darin vertretenen Meinungen, die nicht meine einsame Meinung sind, Gott sei Dank gibt es noch ein paar Dutzend Ökonomen und Sozialphilosophen, die mit mir einig gehen, aber diese Meinung ist doch völlig verschwunden von der Erdoberfläche. Ich kann sagen, dass es heutzutage in Europa weit weniger als ein Promille der Bevölkerung gibt, die wirklich an Freiheit im Sinne des klassischen Liberalismus interessiert sind.

Rouvekia

"Die Lüge vergeht, die Wahrheit besteht" hat Helmuth Graf von Moltke gesagt. "Calomniez, calomniez, il en restera toujours quelque chose" sagt Don Bazile in den Barbier de Séville von Beaumarchais. Leider hat sich der Generalfeldmarschall geirrt und der Ganove recht gehabt. Bei der Lektüre ihrer Werke kommen viele Leute in Versuchung sie spöttisch eine männliche Kassandra zu nennen. Sie vergessen aber dabei, dass Kassandra genau wie Sie, Herr Baader, recht hatte.

Baader

Ich weiß, dass der Eindruck zu Recht entsteht und es stört mich selbst, dass ich immer recht negativ die Dinge beurteilen muss. Da geht es mir ähnlich wie Ludwig von Mises, der einmal geschrieben hat in seiner Biografie, "Ich wollte der Künder guter Botschaften werden, und was ich wirklich geworden bin, das ist der" - ich weiß nicht mehr den Ausdruck, den er benutzt hat, aber so ähnlich wie - "ich bin der Botschafter allen Übels dieser Welt geworden". Und es ist nun mal so, dass die Dinge sich aus Sicht des Freiheitsaspektes und aus Sicht des klassischen Liberalismus stetig schlechter entwickelt haben, stetig zum Schlimmeren entwickelt haben. Bei allem was man betrachtet, sei es die Staatsfinanzen, sei es die Masse der Gesetze, sei es der Umfang der Staatstätigkeit, sei es der Umfang der Besteuerung, sei es die Gängelung der Menschen. Und in dieser Situation pessimistisch zu sein und die Dinge nicht nur immer von optimistischer Warte aus zu betrachten, halte ich schlicht und einfach gleichbedeutend mit Realismus. Also in diesem Fall wäre Pessimismus gleich Realismus.

Rouvekia

Wenn man pessimistisch ist, hat man wenigstens die Freude, ab und zu angenehme Überraschungen zu erleben.

Baader

Ab und zu gibt es das. Ich denke beispielsweise an so etwas wie den weltweiten Zusammenbruch des Sozialismus, was in dieser Situation eigentlich niemand erwartet hätte.

Rouvekia

War es wirklich ein Zusammenbruch? Der Zusammenbruch des Sozialismus, wohlgemerkt als Staatswesen, wurde von einem Ökonom vorausgesagt. Er sagte bereits in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts, dass das Ende nach ca. 40 bis 70 Jahren kommen wird, wenn die vom Kapitalismus geerbte Bausubstanz zusammengebrochen ist.

Baader

Der Prophet, der den Zusammenbruch des Sowjetreiches sah, im Zusammenhang mit dem Zerfall der Bausubstanz, war Mises. Mises hat als erster Ökonom schon in den 20er Jahren mit seinem großen Werk "Die Gemeinwirtschaft" schlüssig und unwiderleglich belegt, dass der Sozialismus nicht funktionieren kann. Und zwar vor allen Dingen weil er keine Preise hat, weil er also die Präferenzen der Menschen nicht wiedergeben kann. Und das geht nur über den ganz komplizierten, komplexen Mechanismus der Preise. Nun ist es so, wenn man Mises Gemeinwirtschaft liest, hätte man erwarten können, dass der Sozialismus, der Sowjetsozialismus und Kommunismus des gesamten Ostblocks, schon viel früher zusammengebrochen wäre, vielleicht schon nach 20 Jahren. Nun ist es aber so, der Zusammenbruch kam deshalb so spät und Sozialismus hält sich, wo immer er lebendig ist, so lange, weil die Marktkräfte auch im Sozialismus weiterwirken. Ich schätze, dass die sogenannten grauen und schwarzen Märkte im Sowjetreich bis zu 50% des gesamten Sozialprodukts ausgemacht haben. Also alle die "eine Hand wäscht die andere", alle die stillen Tauschgeschäfte, "wenn du mir so, dann ich dir" und so weiter, dieser Bereich hat in etwa 50% der Bedürfnisse abgedeckt. Das heißt also, der Markt hat gewirkt, wenn auch illegal, grau und schwarz, aber er hat dieses Reich so lange am Leben erhalten. Und nun ist es so, der Sozialismus und Kommunismus ist nicht am Widerstand der Leute zerbrochen. Die Menschen wollen ihn eigentlich weltweit. Es war nicht der Freiheitswille, der den Sozialismus und den Sowjetkommunismus zum Einsturz gebracht hat, sondern es war schlicht und einfach der finanzielle Bankrott. Auch in der DDR, die sogenannten Bürgerrechtsgruppen, wollten einen anderen Sozialismus und nicht die Marktwirtschaft. Sie wollten nicht die westliche Freiheit, sondern einen anderen, besseren Sozialismus. Und der finanzielle Bankrott sollte natürlich aufgehalten werden. Also, Gorbatschow und die gesamte politische Sowjet-Hierarchie, hatte den Wunsch und den Willen, den Kommunismus-Sozialismus umzubauen, ihm etwas freiheitlichere Züge zu geben und vor allen Dingen seine Effizienz zu stärken. Also ähnlich dem, was die Chinesen relativ erfolgreich machen. Das ist ihnen aber aus der Hand geglitten. Es war also nicht beabsichtigt, die Öffnung so weit zu treiben, dass dieser gesamte Ostblock zusammenbricht, sondern man hat ihn retten wollen durch einen Umbau des Wirtschaftssystems, vor allen Dingen in eine etwas effizientere Form. Und das ist schief gegangen. Da ist ihnen schlicht und einfach der finanzielle Zusammenbruch dazwischen gekommen. Dieses Land, das Sowjetreich, war am Ende finanziell. Der gesamte Sozialismus war am Ende, vor allen Dingen finanziell. Und deswegen kam der Zusammenbruch. Nicht wegen des Freiheitswillens und des Widerstands der Menschen.

Rouvekia

Unsere Zeitgenossen sind wenig daran interessiert zu wissen, was wirklich in unserer Gesellschaft passiert. Albert Schweitzer sagte über den durchschnittlichen Menschen, ich zitiere, "Als ein Nichtdenker will er sich verhalten. Nicht Bildung sucht er, sondern Unterhaltung, und zwar solche, die die geringsten Anforderungen stellt.". Und Schweitzer war doch kein Reaktionär.

Baader

Richtig. Er hat auch recht. Also das panem et circenses ist so alt wie die Menschheitsgeschichte. Es hat in Rom gewirkt und es wirkt auch heute bei uns. Der ganze Sozialstaat, der Wohlfahrtsstaat, beruht auf diesem Prinzip. Es wird Macht mit Geschenken erkauft. Man plündert die Leute also aus, man zockt sie ab. Mittels Steuern und Abgaben. Auch mittels Staatsverschuldung, das ist nur eine Steuer auf die künftige Generation. Man zockt sie also ab und gibt ihnen dann über Versprechungen und Geschenke einen Teil des entwendeten Geldes zurück. Und mit diesen Geschenken und milden Gaben, mit dieser Stallfütterung, erkauft man sich die Macht. Wer am meisten verspricht, der wird die Macht erringen und wer zu wenig verspricht oder gar von Sparen redet und von Zurückstecken, der wird die Wahl verlieren.

Rouvekia

Die Masse tut fast immer das, was keine der Personen, die eine Masse bilden, als Einzelne getan hätte. Wie Gustave Le Bon und Ortega y Gasset gesagt haben.

Baader

Ja, das ist richtig. Also da gibt es in der Nationalökonomie seit ungefähr 20 Jahren ein neues Spezialgebiet, das nennt sich die Public-Choice-Analyse. Die ist sehr weit fortgeschritten in der Untersuchung von Ursachen, Motiven und Beweggründen von kollektiven Handlungen. Und in der Tat ergeben sich da ganz seltsame Widersprüche, denen aber ein gewisser Mechanismus, ein gewisser Automatismus auch, zugrunde liegt. Denken Sie zum Beispiel an Folgendes. Keine Familie, kein Einzelner, und auch keine Familie, käme auf die Idee, ihren Nachbarn zu berauben, um mit dem Geraubten das eigene Kind in die Schule zu schicken und studieren zu lassen. Sobald aber diese Familie Teil einer Gesellschaft ist, eines Kollektivs, betrachten Sie es als selbstverständlich, dass Ihre Kinder auf Kosten aller anderen gebildet und erzogen werden müssen. Das ist also ganz eigenartig. Oder der Einzelne und die einzelne Familie weiß genau, dass man durch Geldborgen nicht reich werden kann. Als Kollektiv sind aber alle, die Bürger, die Politiker, die Unternehmer, sogar die Ökonomen, alle dafür, dass die Zinsen gesenkt werden, damit mehr Liquidität ins Land kommt. Das heißt aber mehr Schulden. Geld kommt unter die Leute. Mehr Geld immer nur durch mehr Schulden machen. Die Zinsen werden ja deshalb gesenkt, damit die Unternehmen und die Privaten angereizt werden, mehr zu borgen, mehr Kredite nachzufragen. Also, was der Einzelne und die Familie weiß, dass man durch Geldborgen nicht reich werden kann, soll plötzlich im Kollektiv ganz anders sein. Wenn eine Nation sich borgt und borgt und immer mehr und sich immer mehr verschuldet und immer mehr Kredite beansprucht, um angeblich die Wirtschaft anzukurbeln, dann soll das ein Glück sein und soll zum Wohlstand und Reichtum aller führen. Also ganz eigenartige Widersprüche, die sich zwischen dem Verhalten und der Erkenntnis des Einzelnen und der kleinen Gruppe ergeben, und der Meinung und dem Verhalten, wenn diese Einzelnen ein Kollektiv bilden, ein großes Kollektiv.

Rouvekia

Wir kommen zu diesem Begriff von Friedrich von Hayek, also "two worlds", große und kleine.

Baader

Ja, das ist eine der wichtigsten Aspekte, die es überhaupt gibt. Hayeks Zwei-Welten-Theorie beschreibt derart maßgeblich die Unterschiede und die unterschiedlichen Wirkungen zwischen der Kleingruppe und den Großgruppen, dass man sie nicht oft genug wiederholen kann. Der Wohlfahrtsstaat und der Sozialstaat gehen eigentlich von den Idealen der Kleingruppe aus, der sogenannten warmen Kleingruppe, also vor allen Dingen der Familie und des kleinen Freundeskreises, des engen Freundeskreises. Da gelten natürlich ganz andere Verhaltensregeln als in der großen arbeitsteiligen, anonymen Gesellschaft. Der Sozialstaat und Wohlfahrtsstaat und auch der Sozialismus haben aber die Ideale der Kleingruppe und wollen diese auf die große Gesellschaft aufpfropfen. Damit wird diese Gesellschaft aber zerstört. Genauso wie man die kleine Gruppe zerstören würde, wenn man ihr die Regeln der großen, anonymen, arbeitsteiligen Gesellschaft aufpfropfen würde.

Rouvekia

Und man ist eben dabei, das zu tun.

Baader

Natürlich, damit zerstört man die Familie. Man ist dabei, das zu tun. Wenn man diese Regeln, wo jede Leistung ihren Preis hat, wo alles bezahlt werden muss, auf die Kleingruppe aufpropft, zerstört man die Kleingruppe, die Familie, die Freunde und die Sippe. Umgekehrt aber auch, wenn man die Verhaltensregeln der Kleingruppe, dass man also Leute ganz unterschiedlich behandeln kann, ohne ungerecht zu werden. Eine Mutter behandelt, wenn sie drei Kinder hat, jedes ganz anders. Sie kann sich einfühlen. Und sie fragt natürlich nicht, was sie dafür bekommt, wenn sie von morgens bis abends irgendwelche Leistungen erbringt. Wenn man dieses Schenken, das herzliche Gefühl, Liebe, Zuneigung, Einfühlungsvermögen, wenn man diese Verhaltensregeln auf die große Gesellschaft aufpfropfen will, und das tut man mit den Regeln des Sozialismus und des Sozialstaats, dann zerstört man die große Gesellschaft. Das sind also zwei Welten. Das ist eine ganz, ganz wichtige Erkenntnis von Hayek. Wer die durcheinander bringt, zerstört sie alle.

Rouvekia

Diese Träume und Wünsche der kleinen Welt sind doch so leicht auf Plakate zu bringen und damit Politik zu machen. Es ist wie der Gustave Le Bon, der sagt, dass die Massen keinen Sinn haben für das, was möglich oder unmöglich ist, dass sie leichtgläubig sind und alles, auch die unwahrscheinlichsten Versprechen akzeptieren.

Baader

Es ist richtig, der Mensch hat ein großes großes Illusionsbedürfnis. Er hat ein religiöses Bedürfnis und er hat ein Illusionsbedürfnis. Man sieht das schon daran, dass wir alle Menschen mit Verzückung und Faszination vor dem Fernseher sitzen, obwohl wir genau wissen, dass alles, was dort an Filmen und Spielen vor sich geht, alles erlogen und erstunken ist. Nichts entspricht der Wahrheit. Es ist ja alles gemacht, es ist alles erdacht und gespielt. Und trotzdem sind wir völlig fasziniert von diesem Medium. Und so geht es den Menschen mit allem, auch auf dem religiösen Sektor. Wenn er die eigentliche Religion verliert, also so wie der Niedergang des Christentums im Abendland, dann tritt an dieser Stelle nicht nichts, sondern Ersatzreligionen. Das können Sekten sein, das können aber auch politische Religionen sein. Das kann zum Beispiel auch der Sozialismus sein. Der Sozialismus ist eine politische Religion. Also der Mensch hat ein großes religiöses Bedürfnis besonders anfällig ist er für sogenannte Religionen, die seine Vernunft, seine Fähigkeit zu denken, noch ansprechen, die also religiöse Gefühle mit seiner menschlichen Existenz verbinden, das heißt, die dem Menschen quasi gottähnliche Fähigkeiten zuschreiben. Der perfekte Mensch, der neue Mensch, deswegen reden ja diese politischen Religionen immer vom neuen Menschen. Sie glauben, dass der Mensch im Zuge des Fortschreitens der Wissenschaften, vor allen Dingen der Naturwissenschaften, zu ganz neuen, perfekten Zuständen kommen kann, dass man diesen Menschen perfektionieren könne, auch moralisch perfektionieren könne. Und wenn sich diese ersatzreligiösen, diese politischen Religionen, noch verbinden mit diesem menschlichen Wahn, mit dieser Hybris, dass der Mensch gottähnlich und unsterblich werden könnte, dann sind sie besonders erfolgreich.

Rouvekia

Leider können in unserer Zeit die Kirchen auch nicht viel dagegen tun, weil ihre Kader, um nicht Hierarchie zu sagen, dem nicht gewachsen sind, sondern sogar mitmachen. So zum Beispiel Ex-Bischof Gayot, der sagte, man sollte die Französische Revolution nicht nur feiern, sondern weiterführen, ohne daran zu denken, dass die Geistlichen die bevorzugten Opfer dieser Hekatombe waren. Was kann man mit solch einer Hierarchie anfangen?

Baader

Tja, auch die sollte man dem Markt übergeben und nicht mit Staatsfinanzen unterhalten.

Rouvekia

In Frankreich könnten die nicht...

Baader

Ja, das ist auch gut so. Nur leider ist auch in Frankreich ihr Betätigungsfeld nicht groß genug. Ich werde es Ihnen gleich sagen, was ich damit meine. Viele Menschen beklagen, dass das Christentum im Niedergang ist. Und zwar, weil die Kirche vergessen hat, welche Botschaft sie zu übermitteln hat an die Menschen. Und weil sie sich zu einem Anhängsel des Wohlfahrtsstaats gemacht hat. Sie macht ja nichts anderes, als die Parolen des Wohlfahrtsstaates nachzubeten und sich entsprechend zu engagieren. Deshalb, es gäbe eine Möglichkeit, diese Entwicklung aufzuhalten, zu bremsen wenigstens. Und zwar, wenn die Kirchen zum einen ihre Staatsfinanzierung verlieren würden und sich selbst um ihr Geld kümmern müssten. Aber wenn sie dazu auch die Möglichkeit hätten, nämlich beispielsweise durch eine völlige Privatisierung des Bildungswesens. Auch durch eine weitgehende oder völlige Privatisierung des Gesundheitswesens. Also wenn diese sehr großen Bereiche des menschlichen Lebens wieder privat erbracht werden müssten, wenn diese Leistungen wieder privat erbracht werden müssten, und in ihrer ganzen Vielschichtigkeit erbracht werden müssten, dann hätten die Kirchen auch, was sie ja bei vielen Internaten schon bewiesen haben, ihre Fähigkeiten, Jugend auszubilden und zu bilden, dann hätten sie da wieder ein wirkliches Betätigungsfeld. Und so wie es früher war, dass von den Kirchen auch Kindergärten und ganze Hospitäler und Krankenhäuser gelenkt und geleitet wurden, das könnte auch wieder eintreten. Natürlich nicht allein, im Zusammenspiel mit anderen Privaten, aber es wäre eine Option und viele Menschen hätten das Bedürfnis, ihre Kinder in kirchlichen, religiösen, christlichen Schulen ausbilden zu lassen, sich bei Krankheit in christlich geleitete Krankenhäuser zu begeben und so weiter. Also nur wenn die Aufgaben, wenn die Möglichkeiten, eröffnet wären, dass die Kirchen sich diesen Aufgaben widmen könnten, würden sie auch überleben, wenn sie vom Tropf des Staates abgeschnitten wären.

Rouvekia

Nächste Woche werden wir den zweiten Abschnitt unseres Gesprächs mit dem weltbekannten Ökonom, Herrn Roland Baader, ausstrahlen.

Streiflichter des Lebens. Eine Sendung von und mit Alexander Rouvekia, der Persönlichkeiten des musikalischen, literarischen und wissenschaftlichen Lebens von hier und anderswo vor sein Mikrofon bittet. Streiflichter des Lebens, eine Originalsendung, die von Radio RTL 103,5 FM am 1. und 2. Mittwoch jeden Monats von 9:02 bis 9:30 Uhr ausgestrahlt und am 3. bzw. 4. Mittwoch jeden Monats um dieselbe Zeit wiederholt wird.

Teil 2

Rouvekia

Streiflichter des Lebens. Eine Sendung von und mit Alexander Rouvekia, der Persönlichkeiten des musikalischen, literarischen und wissenschaftlichen Lebens von hier und anderswo vor sein Mikrofon bittet. Streiflichter des Lebens, eine Originalsendung, die von Radio RTL 103,5 FM am 1. und 2. Mittwoch jeden Monats von 9:02 bis 9:30 Uhr ausgestrahlt und am 3. bzw. 4. Mittwoch jeden Monats um dieselbe Zeit wiederholt wird.

Meine Damen und Herren, wie Sie schon wissen, der Gast unserer Sendungen im Juni und Juli ist Herr Roland Baader, derzeit bekanntester populärwissenschaftlicher Freidenker des deutschen Sprachraums. In allen seinen Schriften und Vorträgen zeigt er unseren Zeitgenossen, wenigstens denjenigen, die wirtschaftlich und politisch interessiert sind, welchen Trugbildern sie alltäglich aufsitzen und in welchen Denkfallen sie sich gefangen halten lassen. Für diese Interessierten erwähne ich ein paar Titel von Werken Roland Baaders, die für jeden, der sich gegen die Diktatur der Pensée unique sträubt, ein Muss sind. Die Untertitel geben reichlich Auskunft über den Inhalt.

"Fauler Zauber: Schein und Wirklichkeit des Sozialstaates". "Kreide für den Wolf: Die tödliche Illusion vom besiegten Sozialismus". "Todgedacht: Warum Intellektuelle unsere Welt zerstören". Und, besonders wichtig für junge Leute und diejenigen, die ihren Kindern für das Leben gut wappnen wollen, "Die belogene Generation: politisch manipuliert statt zukunftsfähig informiert". In dem heutigen Abschnitt unseres Gesprächs geht es um das Bildungswesen und die Arbeitsteilung.

Herr Baader, die junge Generation von heute scheint mir über einen sehr dürftigen und einseitigen Wissenschatz zu verfügen. Es kann kaum, wenn überhaupt, für den Lebensweg reichen. Ist nicht vielleicht unser Bildungswesen tiefgründiger mangelhaft, als die PISA-Studie es erkennen lässt?

Baader

Ja, sehen Sie, das ist eine ganz wichtige Erkenntnis. Wir meinen ja, oder viele Leute, die sich für Freiheitliche halten, für Freiheitsdenker und Freiheitskämpfer, wollen jegliche Autorität abschaffen. Das war ja die große Bemühung der 68er. Alle Autorität abzuschaffen. Das ist aber die Verwechslung zwischen Herrschaft und Autorität. Ich sehe das als zwei Seiten einer Waage. Als Freiheitsdenker, als Klassisch-Liberaler kämpfe ich [abgeschnitten] Herrschaft von Menschen über Menschen darf es nicht geben. Es darf nur einer herrschen, das ist natürlich gegen jede Form der Herrschaft [abgeschnitten] ist das Recht. Da lag auch Platon falsch. Die Besten sollten herrschen. Nein nein, das Recht sollte herrschen.

Rouvekia

"Aus welchem Sichtpunkt die Besten?" könnte man fragen.

Baader

Eben, eben. Und Herrschaft ist immer schlecht. Und die Klassisch-Liberalen wollten sie ja deshalb schon immer auf ein winziges Minimum reduzieren. Also lediglich auf die Bereitstellung und Sicherung einer rechtsstaatlichen Ordnung, also den Schutz von Leben, Körper und Eigentum. Und mehr nicht. Und Herrschaft und Autorität sind zwei Seiten, muss man sich vorstellen, wie eine Waage. In dem Moment, wenn Autorität niedergeht, steigt Herrschaft, steigt die Herrschaftsschale. Es ist nicht so, dass die Menschen dann freier werden, sondern unfreier. Weil die Autorität immer etwas Freiwilliges hat. Sie hat auch gewisse Zwänge natürlich. Wenn wir uns erinnern, früher das Ansehen von Eltern, und Lehrern, und Großeltern, und überhaupt von älteren Menschen, war natürlich nicht nur freiwillig sondern das waren auch Taburegeln, das waren auch Zwänge, denen man sich unterwerfen musste, aber es waren keine hoheitlichen, staatlichen Zwänge. Es waren keine Herrschaftszwänge, sondern es waren nur Zwänge, die der Mensch braucht, nämlich im Sinne von "man tut und man tut nicht". Die Menschen brauchen bestimmte Tabus, die sie lenken und leiten müssen, weil sie niemals mit ihrem Verstand wissen können, was alles richtig und was alles falsch ist im Verhalten.

Rouvekia

"Between instinct and reason".

Baader

Richtig, Hayek. Ja, vollkommen richtig. Das ist dieser Aspekt. Nun ist es so, im öffentlichen Bildungswesen - ich betrachte es als ein Kidnapping unserer Kinder zur beliebigen Indoktrination. Das heißt, die Kinder werden zwangsweise in Schulen gesteckt, ohne Alternative, und dann wird in sie hineingepumpt, was der jeweiligen Obrigkeit für richtig erscheint. Auf diese Weise wurden beispielsweise auch im Nationalsozialismus alle Schulen ausgerichtet und alle Kinder mit dem nationalsozialistischen Schwachsinn gefüllt.

Rouvekia

Im Sozialismus, also im internationalen Sozialismus, ebenso. Ich habe unter solch einem Regime gelebt.

Baader

Ebenso. Natürlich. Ja, das spielt überhaupt keine Rolle, ob nationaler Sozialismus oder internationaler Sozialismus. Oder jetzt unseren Wohlfahrts-Sozialismus, Samtpfoten-Sozialismus. Das spielt keine Rolle.

Rouvekia

Nicht so arg samt.

Baader

Nicht einmal so arg samt, aber er kommt auf ziemlich leisen Sohlen daher, jedenfalls optisch. Und da werden ebenfalls die Kinder gezwungen, in Schulen zu gehen, in vorgegebene Schulen zu gehen, und dort wird ihnen beliebig irgendetwas eingetrichtert, was von oben vorgegeben wird. Wenn dieses Bildungssystem privat wäre, das heißt in eine Vielfalt von Angeboten aufgefächert, dann hätten Schüler und Eltern auch wieder die Wahlmöglichkeit. Sie könnten den Bedürfnissen ihrer Kinder, und ihrer eigenen Bedürfnisse entsprechend, ihre Kinder ausbilden lassen. Auf einem niedrigen Niveau, auf einem mittleren Niveau, auf einem hohen Niveau, auf einem christlichen Niveau oder einem nicht christlichen. Mit Schwergewicht eher Naturwissenschaften oder eher Business, mit Schwergewicht eher klassische Bildung, Latein, Griechisch und so weiter. Alles das könnten sie wählen. Und wenn Schüler mal wieder freiwillig ihre Schule wählen würden, aus der Vielzahl, wenn sie also freiwillig da wären, wo sie hingehen und nicht gezwungenermaßen, wäre auch das Verhalten ganz anders. Wir haben ja eine vollständige Verwilderung in den Schulen. Und das Lehrerpersonal hat auch keine Möglichkeit mehr, Disziplin einzufordern. Sie können ja die Leute gar nicht rauswerfen. Eine Privatschule hätte sehr wohl

Rouvekia

Und Frankreich kriegen die ein Messer in den Bauch.

Baader

Ja, natürlich. Das ist richtig. Eine Privatschule hätte natürlich diese... Also, wenn es eine Vielzahl von Privatschulen gäbe, wenn das gesamte Bildungsangebot, oder wenigstens die überwiegende Mehrzahl der Bildungsangebote, privat wäre, dann gäbe es natürlich auch Schulen für ganz verwahrloste Kinder, die machen können, was sie wollen. Das Angebot gäbe es auch. Aber es gäbe natürlich auch viele Schulen, die Disziplin einfordern. Und ohne Disziplin kann man nicht lernen. Das geht nicht. Und die auch entsprechende Sanktionsmöglichkeiten hätten. Zu spät kommen, fehlen, Fehlverhalten und so weiter. Abmahnung, raus hier. Das ist es. Nur das. Nur so kann man Bildung überhaupt veranstalten. Und, in diesem Fall hätten wir auch dann nicht diesen gewaltigen Missstand, dass wir auf Kosten der Steuerzahler Hunderttausende von jungen Leuten jahrelang bis zu ihrem 30. Lebensjahr auf Hochschulen und Universitäten halten und sie mit Dingen ausbilden, die sie niemals brauchen können, die gar nicht gebraucht werden. Was soll ein Land wie Frankreich oder Deutschland, was sollen wir mit diesen Zehntausenden von Soziologen, Politologen, Anthropologen?

Rouvekia

Theologen, die nicht nicht Priester werden.

Baader

Eben, ja. Viele scheitern. Die anderen, auch wenn sie nicht scheitern, wenn sie fertig sind, sind sie arbeitslos. Sie sind eine revolutionäre Masse, weil sie gegen dieses System, wie sie es nennen, eingestellt sind. Gegen eine marktwirtschaftliche Ordnung, die sie nicht braucht, oder nur wenige von ihnen. Die ganz andere Leute braucht, die aber nicht ausgebildet werden. Immer weniger Ingenieure, immer weniger Leute, die wirklich etwas von Business, von Geschäft, verstehen. Die meisten Firmen müssen ihr Personal mühsam selber zusätzlich ausbilden. Auch wenn sie von den Universitäten kommen, müssen sie in vielen vielen Seminaren und Lehrgängen diese Leute dahin bringen, wo sie sie überhaupt erst benötigen, wo sie überhaupt erst brauchen können. Und das ist eine derartige riesige Verschwendung, die hier läuft, und auch ein gefährliches Potenzial. Aus diesem Potenzial rühren zum Beispiel sämtliche NGOs, also die Non Government Organizations, von denen es inzwischen Sechs- oder Siebentausend gibt. Das sind Leute, die im Staatsdienst nicht unterkommen. Das ist natürlich den meisten Studenten und Absolventen der Hochschule, die solche nicht benötigten Ausbildungen haben, am Liebsten, wenn sie in Staatsdienst kommen, wenn sie in Beamtenlaufbahn hineinkommen. Diejenigen, die das nicht können, die versuchen, ihre eigene nichtstaatliche Partei zu gründen. Sie suchen sich also ein Thema aus, meinetwegen den Schutz der Frösche, oder den sauren Regen, oder die Verschmutzung der Meere, oder was auch immer, versuchen große Gruppierungen zusammenzubekommen, laut zu schreien, überall zu stören, zu demonstrieren und sehr viel Schaden anzurichten. Mit dem Ergebnis, dass diese Leute früher oder später von denen, denen sie ihre Handlungen erschweren, eingebunden werden. Also viele der Spitzenkräfte der NGOs, ATTAC, und wie sie alle heißen, sitzen inzwischen in den Aufsichtsräten und Beiräten der Großen, Shell und Royal Dutch und so weiter, mit riesigen Gehältern. Dort werden sie ruhig gehalten. Auch das sind alles Auswüchse eines vollkommen falschen Bildungswesens, eines staatlichen Bildungswesens.

Rouvekia

Es wird immer wieder behauptet, dass ein privates Bildungswesen für den Mann auf der Straße zu teuer wäre. Ist das wirklich so?

Baader

Niemals. Ein privates Bildungswesen wäre wesentlich billiger als das, was wir jetzt haben. Also öffentliche Leistung sind immer verschwenderisch. Das System reagiert nicht auf Anreize von Angebot und Nachfrage. Es gibt keine Preise, die in Richtung Effizienz lenken. Es gibt keine Kontrolle, keine Erfolgskontrolle. Alles das artet in eine riesige Verschwendung aus. Das muss man sich ähnlich vorstellen wie bei Gemeineigentum. Also die Ökonomen sprechen da von "the Tragedy of the Commons", die Tragödie des Gemeinbesitzes, des Gemeineigentums. Also, es kennt ja inzwischen jeder dieses Beispiel, wenn man eine Wiese hat, wie in Afrika beispielsweise, die dem Dorf gehört, wo jeder seine Ziegen weiden darf, dann ist die sehr schnell kaputt. Weil jeder denkt, bevor der Nachbar seine Ziegen hinschickt, schicke ich schnell meine hin. Und da jeder so denkt, ist diese Wiese in kurzer Frist ruiniert. Und niemand hat mehr etwas davon. Wenn sie in Privathand ist, wenn sie einem gehört, der weiß sehr wohl mit dieser Wiese pfleglich umzugehen, damit er seine Ziegen auch in 10 oder 20 Jahren noch dort hüten kann.

Rouvekia

Auf einer Insel in Südostasien kommt das Süßwasser aus den vulkanischen Seen. Es wird durch ein ausgeklügeltes System von Kanälen über alle Felder geleitet. Die Dörfer zahlen einen Betrag an die Mönche, die das Ganze verwalten, und jeder kriegt seinen Anteil nach einem strikten Kalender. So reicht es für alle.

Baader

Das ist ein gutes Beispiel. Und so passiert es mit allen Dingen, die angeblich kostenlos angeboten werden. Das heißt also mit allen sogenannten öffentlichen Gütern und dazu gehört auch das Bildungswesen. Es findet eine riesige Ineffizienz und Verschwendung statt.

Rouvekia

Wenn der Staat, der Großverschwender Staat, nicht intervenieren würde, gäbe es keine Massenarbeitslosigkeit.

Baader

Richtig. Also, die politische Intervention, und vor allen Dingen auch die Tätigkeit der Gewerkschaften, zerstört den Arbeitsmarkt. Eigentlich hätten sie sich überlebt, sie repräsentieren Sie ja nur noch rund 8% der Bevölkerung. Also, ich weiß die Zahl jetzt nicht mehr, aber vielleicht noch 20% oder 24% oder 22% der Beschäftigten. Und das umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung entspricht ungefähr 8%. Stecken aber in allen politischen Gremien. Die Mehrheit des Parlaments ist entweder gewerkschaftlich, sind Gewerkschaftsfunktionäre, oder sie gehören einer Gewerkschaft an. Sie sitzen in allen Aufsichtsräten der großen Firmen. Sie sitzen in den Krankenkassen. Sie sitzen in den Wohlfahrtsverbänden. Überall haben sie ein Mitsprache- und Mitbestimmungsrecht. Und oft sogar eine Art brachiale Gewalt in diesen Gremien. Weil sie natürlich immer relativ große Mengen von Leuten bewegen können, zu streiken oder zu protestieren. Sie sind also hoffnungslos überrepräsentiert in allen westlichen Staaten. Ihre eigentliche Legitimität durch freiwillige Mitgliedschaft entspricht das in keiner Weise mehr. Und man sieht ja jetzt wieder, gerade derzeit, es ist also der reine Wahnsinn, was derzeit passiert. Der winzig kleine Vorteil, der den Ostbetrieben in den neuen Bundesländern noch geblieben ist, nämlich die 38-Stunden-Woche statt der 35-Stunden-Woche, dieser winzig kleine Vorteil, soll nun mit einem Schlage auch noch weggenommen werden. Das heißt, es werden neue arbeitslosen Schübe entstehen da drüben. Diese Dinge werden ohne Rücksicht auf Verluste durchgepeitscht, nur weil man so viel Mitgliederschwund hat in den Gewerkschaften, dass man durch Muskelspiele glaubt sich wieder in den Vordergrund rücken zu müssen. Also, in den neuen Bundesländern in Ostdeutschland haben wir jetzt schon eine Arbeitslosigkeit von 20%. Wenn nicht zweieinhalb Millionen Menschen von dort nach Westen gewandert wären, dann wäre die Arbeitslosigkeit 40%. Und das, was jetzt geschieht, wird die Arbeitslosigkeit mindestens um weitere 5% bis 10% erhöhen. Also, was an den Arbeitsmärkten, und vor allen Dingen auch am deutschen Arbeitsmarkt, geschieht, das ist mit keinem Begriff mehr zu beschreiben. Es gibt zwei Jahrbücher, die jährlich erstellt werden, über die wirtschaftliche Freiheit in der Welt. Das ist beispielsweise von der Heritage Foundation "Economic Freedom of the World". Dort werden um die 120, 130 Länder bewertet. Sehr akribisch, sehr wissenschaftlich, nach sehr vielen Aspekten, wie ihr Zustand bezüglich der ökonomischen Freiheit ist. Im letzten Jahrbuch, 2002, ist zwar Deutschland noch nicht unter den Bananenrepubliken, sondern auf Rang 15 oder 17, aber was die Arbeitsmärkte angeht an allerletzter Stelle. Also, sie würden nur noch übertroffen von Nordkorea beispielsweise. Nur wird ein Land wie Nordkorea oder Kuba dort nicht gemessen weil keine Daten vorliegen. Die würden uns zweifellos noch übertreffen. Aber von allen, von denen Daten vorliegen, bildet Deutschland das Schlusslicht, was den Arbeitsmarkt angeht.

Rouvekia

Da könnten diese Gewerkschafter nicht über die Grenze gucken. In Frankreich, wo Martine Aubry dieses Gesetz 35 Stunden verabschieden ließ. Und dann ist sie zurückgetreten und hat sich als Bürgermeisterin wählen lassen. Und sobald die Regierung Raffarin gewählt wurde, hat man dieses Gesetz arg flexibilisiert. Und so geht's besser.

Baader

Natürlich.

Rouvekia

Die Gewerkschaften behaupten, sie seien von Anfang an ein Bollwerk gewesen gegen den Kapitalismus, bzw. gegen das Elend, Hunger und Not, das der Kapitalismus erzeugt hätte. Ich bin vielleicht ein Ketzer, aber mir geht eine unbequeme Frage durch den Kopf. War dieses Elend, Not und Hunger nicht eher eine Folge der französischen Revolution und der Kriege die vom Größenwahn geplagten Bonaparte geführt wurden?

Baader

Das ist die richtige Frage. Es wird zwar überall, auch an allen Schulen, gelehrt dass der Kapitalismus, der Frühkapitalismus, der sogenannte Manchester-Kapitalismus, zur Verelendung der Bevölkerung geführt hätte.

Rouvekia

Das ist eine Legende geworden.

Baader

Ja, es ist eine Legende. Vor allen Dingen angeheizt von Engels, durch ein vollkommen verzogenes, verdrehtes, verlogenes Buch, von Friedrich Engels, über den Zustand der arbeitenden Klassen in England.

Rouvekia

Aber Engels war nie in Manchester?

Baader

Er war nie da, nein. Natürlich waren die Verhältnisse dort verheerend. Aber das war genau dieselbe Situation wie heute in China. Dieses vollkommen verarmte Land musste nun, bevor also die Leute zu Millionen verhungern, mussten sie die Märkte öffnen, wenigstens teilweise öffnen. Und was nun geschieht, nämlich dass sich dieser Riese mit riesigen Wachstumsraten von 12% und mehr jährlich aufschwingt und zweifellos in 40 oder 50 Jahren wohl die reichste Nation der Erde sein wird, vielleicht auch die mächtigste.

Rouvekia

Deshalb hat Angst der Amerikaner.

Baader

Richtig, das ist richtig. Das ist ein Aspekt auch des Irakkrieges, das Abschneiden der Chinesen vom leichten Zugang zu den Ölquellen. Aber dort können wir es sehen. Nun wird das Elend offensichtlich. Vorher, wie auch in Europa, waren die Hungernden und Elenden zu Millionen verteilt, haben als Knechte und Mägde für ein paar Kartoffeln ihr Leben gefristet, oder sind verhungert, oder sind in Klöster gegangen, oder sind ausgewandert. Und als die Industrialisierung begann, haben sie sich natürlich in den Städten zusammengeballt. Städte wie Manchester ist um Hunderttausende von Menschen innerhalb weniger Jahre gewachsen. Dem waren die Städte natürlich nicht gewachsen so schnell. Es kam selbstverständlich zu elenden Wohnverhältnissen, zu Überbevölkerung und zu allen möglichen Missständen.

Rouvekia

Ähnlich wie heutzutage.

Baader

Ja, aber die Leute sind dorthin geströmt, weil es ihnen besser ging als vorher. Und es hat nicht lange gedauert, dann ging es ihnen noch besser. Es ist ein großes Märchen. Kapitalismus führt überall auf der Welt, wo man ihn wirken lässt, zu Reichtum. Es gibt eine ganz enge Korrelation zwischen ökonomischer Freiheit und Reichtum der Nationen. Das bringen also diese Jahrbücher, die ich erwähnt habe, auch jedes Jahr deutlich zum Ausdruck. Es ist ganz klar, wo am meisten Freiheit herrscht, ist auch die Wirtschaft, ist auch das Volkseinkommen, ist auch das Sozialprodukt am Höchsten. Wo diese Freiheit, in dem Maße wie sie gedämpft, und gefesselt, und unterdrückt wird, sinkt auch der Reichtum der Völker bis hin zu bitterster Armut. Das ist eine ganz eindeutige Korrelation. Es gibt nicht ein einziges freies Land, das arm wäre. Und es gibt nicht ein einziges armes Land, das frei wäre.

Rouvekia

Tausend Jahre lang war die Wirtschaft fest auf Landwirtschaft orientiert. Als diese im 18. Jahrhundert unkompetitiv wurde, haben die Dörfler alles verlassen und sind in die Städte gestürmt. So wurden sie anfangs wenigstens bettelarm, da sie ihre Äcker nicht unter dem Arm mitnehmen konnten.

Baader

Außerdem kam es zu einer riesigen Bevölkerungsexplosion.

Rouvekia

Eine Bevölkerungsexplosion, außer in Frankreich, wo Napoleon und die Revolution dafür gesorgt haben, dass 2 Millionen junge Menschen umgebracht wurden. In Italien ging es nicht so schlecht. Die italische Halbinsel war die reichste Erdfläche Europas und das bis zu der napoleonischen Heuschreckenplage.

Baader

In Italien war auch die Bevölkerungsexplosion nicht so dramatisch wie in England. In England, und auch in Deutschland, und Irland. Also, wenn man sich die Zahlen anschaut, ich habe sie natürlich jetzt nicht im Kopf, aber wenn man sich die Kurven anschaut, die explodieren geradezu. Eine gewaltige Bevölkerungsexplosion, die einherging mit einer wirklich ungeheuren Hungersnot. Und es wäre, wenn die Industrialisierung nicht gekommen wäre, zu Millionen und Abermillionen von Hungertoten gekommen, zu einer riesigen Hungersnotwelle über ganz Europa.

Rouvekia

Oder wäre Albion in einen Krieg marschiert.

Baader

Ja, das ist natürlich immer die Lösung, der Hausweg.

Rouvekia

Der Schriftsteller und Historiker André Mauroy behauptet in einem seiner Bücher, der Mensch hätte zwei Lehrer für Staatsbürgerkunde gehabt. Der Hunger habe ihm das Zusammenleben mit seinen Mitmenschen beigebracht, ohne die die Jagd, das Pflücken und Sammeln nicht ergeblich genug gewesen wäre. Also eine Art Primitivkommunismus. Als zweiter Lehrer habe der Wohlstand gewirkt und dem Menschen den Egoismus beigebracht. Die Lösung wäre, so Mauroy, ein Mittelweg zwischen Kommunismus und Kapitalismus. Mit Verlaub, mir klingt es ziemlich unsinnig.

Baader

Das ist typisch für kluge, sehr kluge und gescheite Intellektuelle, die nichts von Ökonomie verstehen. Und das ist bei fast allen so. Natürlich war es so, in der kleinen face-to-face Gesellschaft, im Stamm, in der Horde.

Rouvekia

In der kleinen Welt.

Baader

Das war die kleine Welt. Und die mussten natürlich zu Zwecken des Überlebens zusammenhalten. Es ist logisch. Wenn einer mal ein verendetes Tier gefunden hat, oder eine besonders ergiebige Pflanzengegend, dann musste er die anderen teilhaben lassen, weil morgen konnte es umgekehrt sein. Da konnte ein anderer von der Horde das entdecken und hat dann eben die anderen wiederum teilnehmen lassen. Das war also ein wichtiger Zusammenhalt. Auch Angriffe von wilden Tieren usw. Oder von anderen Stämmen und Horden kann man sich in der Gemeinschaft besser schützen.

Rouvekia

Homo homini.

Baader

Ja, eben. Aber, was mit der Industrialisierung eingesetzt hat, ist etwas ganz anderes. Das ist der Beginn der Arbeitsteilung. Und die Arbeitsteilung ist die Quelle allen Wohlstands. Also, es gibt einen wunderschönen Essay von, ich weiß jetzt nicht mehr, Rockwell oder irgendjemand, der nennt sich "I, Pencil", "Ich, Bleistift". Dieser Mann belegt einmal wie viel Tausende der verschiedensten Arbeitsgänge notwendig sind, um einen einzigen Bleistift zusammenzubekommen. Das ist heutzutage eine Massenware für ein paar Pfennige.

Rouvekia

Das ist vielleicht von Fürst Castel zu Castel bezahlt.

Baader

Nein, nein, nein. Es ist einfach eine Demonstration, dass ein einzelner Mensch sein ganzes Leben zubringen müsste. Also, erstmal in der Bleimine, oder in der Anthrazitmine, oder was auch immer, graben, weiche Hölzer suchen. Schauen, wie er zu einem Bohrer kommt, um da ein Loch durchzukriegen. Und all diese Dinge. Er müsste fast sein Leben zubringen, bis er am Ende vielleicht einen mehr schlechten als rechten Bleistift hätte. Während es in der arbeitsteiligen Welt, wo reibungslos und geräuschlos Millionen von Menschen, allein wegen dieses Bleistifts - die Minenarbeiter in Chile, die Holzfäller in Kanada, die Bleistiftfabriken irgendwo in Europa - alle arbeitsteilig zusammenspielen. Und das erzeugt Reichtum. Das bedeutet, dass anschließend ein Bleistift nur noch 10 Cent kostet oder 5 Cent.

Rouvekia

Aber diese 5 Cent ernähren die ganze Arbeitshierarchie sozusagen, die dahintersteckt. Natürlich, diejenigen in Chile, diejenigen in Kanada und so weiter.

Baader

Natürlich.

Rouvekia

Aber diese Arbeitsteilung ist die schlimmste und bösartigste Verleumdung von Genosse Karl Marx.

Baader

Richtig. Ja, vollkommen richtig. Und das ist eine wilde Verkennung der Tatsachen. In diesem Zusammenhang mit der Arbeitsteilung und mit dem Wettbewerb wird immer gesprochen von "Kampf aller gegen alle", von Ellbogengesellschaft, und von eiskaltem Neoliberalismus, und eiskalten Marktkräften, und so weiter und so fort. Das ist natürlich ein dummes Zeug. Im arbeitsteiligen Markt muss es täglich, stündlich, minütlich zur friedlichen Kooperation und Koordination von unzähligen Milliarden von Menschen kommen. Alle, ob in einer kleinen Firma, oder in einer großen, oder in der ganzen Ökonomie eines Landes, oder der Welt, alle müssen sie miteinander kooperieren. Natürlich stehen sie auch im Wettbewerb mit anderen, die dasselbe anbieten. Da wird natürlich nicht kooperiert, sondern da wird manchmal mit harten Bandagen vorgegangen, aber immer friedlich, niemals kriegerisch. Aber innerhalb der Branchen, der Firmen, überhaupt, innerhalb der gesamten Ökonomie gibt es vielleicht 4% oder 5% gegeneinander und 95% miteinander. Es ist ein riesiges friedliches Kooperationsspiel und nicht das sogenannte eiskalte. Natürlich ist diese Welt, diese Arbeitsteilung - wir haben ja schon davon gesprochen - nicht gleich der kleinen warmen Kleingruppe, wo man sich mit Zuwendung und Liebe überschüttet. Das natürlich nicht. Aber es ist die einzige friedliche und harmlose weltweite Kooperation von Menschen, die einzige Alternative zu Kampf und Krieg. Es ist nicht Wettbewerb, ist nicht der Kampf aller gegen alle, sondern die einzige Alternative zum Kampf aller gegen alle. Also Kapitalismus hat mit Krieg überhaupt nichts zu tun. Staatskapitalismus ja. Wenn der Staat sich das kapitalistische System unter den Nagel reißt oder unter seine Diktatur bringt, wie Hitler das geschickt gemacht hat, dann hat die Industrie nicht verstaatlicht, sondern hat sie gezwungen nach seinen Regeln zu produzieren. Wenn ein Herrschaftsgefüge, ein staatliches Herrschaftsgefüge, sich ein ökonomisches System aneignet, besetzt, dann kann es natürlich aggressiv werden. Es sieht dann so aus, als sei das die Aggressivität des Kapitalismus, hat aber mit Kapitalismus gar nichts zu tun. Kapitalismus ist angewiesen auf weltweiten Frieden. Der Kaufmann, der Händler, der Produzent kann kein Geschäft machen, wenn Krieg herrscht, wenn die Bomben fallen. Das ist alles dummes Zeug. Einige, zwei, drei, die dann die Bomben produzieren, ja, okay, die können Geschäfte machen. Aber die anderen Millionen können kein Geschäft mehr machen. Der Kaufmann ist am Frieden am meisten interessiert. Nehmen wir mal an Irak wäre aus Gründen eines Erdbebens zusammengebrochen. Also ohne Fremdeinwirkung. Und es gäbe keine Staaten, die sich nun dieses Land unter den Nagel reißen möchten. Dann müssten Betriebe weltweit konkurrieren um Aufträge. Und der Leistungsfähigste würde jeweils einen bestimmten Auftrag bekommen. Das hat mit Krieg überhaupt nichts zu tun.

Rouvekia

Nächste Woche werden wir den dritten Abschnitt unseres Gesprächs mit dem weltbekannten Ökonom Roland Baader ausstrahlen.

Streiflichter des Lebens. Eine Sendung von und mit Alexander Rouvekia, der Persönlichkeiten des musikalischen, literarischen und wissenschaftlichen Lebens von hier und anderswo vor sein Mikrofon bittet. Streiflichter des Lebens, eine Originalsendung, die von Radio RTL 103,5 FM am 1. und 2. Mittwoch jeden Monats von 9:02 bis 9:30 Uhr ausgestrahlt und am 3. bzw. 4. Mittwoch jeden Monats um dieselbe Zeit wiederholt wird.

Teil 3

Rouvekia

Streiflichter des Lebens. Eine Sendung von und mit Alexander Rouvekia, der Persönlichkeiten des musikalischen, literarischen und wissenschaftlichen Lebens von hier und anderswo vor sein Mikrofon bittet. Streiflichter des Lebens, eine Originalsendung, die von Radio RTL 103,5 FM am 1. und 2. Mittwoch jeden Monats von 9:02 bis 9:30 Uhr ausgestrahlt und am 3. bzw. 4. Mittwoch jeden Monats um dieselbe Zeit wiederholt wird.

Meine Damen und Herren, wie Sie schon wissen, der Gast unserer Sendungen im Juni und Juli ist Herr Roland Baader, derzeit bekanntester populärwissenschaftlicher Freidenker des deutschen Sprachraums. In allen seinen Schriften und Vorträgen zeigt er unseren Zeitgenossen, wenigstens denjenigen, die wirtschaftlich und politisch interessiert sind, welchen Trugbildern sie alltäglich aufsitzen und in welchen Denkfallen sie sich gefangen halten lassen. Für diese Interessierten erwähne ich ein paar Titel von Werken Roland Baaders, die für jeden, der sich gegen die Diktatur der Pensée unique sträubt, ein Muss sind. Die Untertitel geben reichlich Auskunft über den Inhalt.

"Fauler Zauber: Schein und Wirklichkeit des Sozialstaates". "Kreide für den Wolf: Die tödliche Illusion vom besiegten Sozialismus". "Todgedacht: Warum Intellektuelle unsere Welt zerstören". Und, besonders wichtig für junge Leute und diejenigen, die ihren Kindern für das Leben gut wappnen wollen, "Die belogene Generation: politisch manipuliert statt zukunftsfähig informiert". In dem heutigen Abschnitt unseres Gesprächs geht es um das Kapital und die 10 Gebote, um das Kapital und die Menschenrechte.

In der altrömischen Rechtsprechung gibt es ein einfaches Prinzip, usus fructus et abusus, auf Deutsch, man darf seinen Besitz benutzen, nutzbringend machen oder es missbrauchen. Kann man in unserer Gesellschaft von einem solchen Recht noch reden?

Baader

Nein, das ist lange verschwunden. Eigentum ist nur noch eine Gnadengabe des Staates. Das ist auch das große große Verhängnis das beispielsweise im deutschen Grundgesetz steht. Zwar das Eigentum ist gewährleistet, aber als zweites, gleich dahinterher, es ist sozialpflichtig. Das ist nun natürlich beliebig auslegbar, was "sozialpflichtig" ist. Und damit hat man dem Herrschaftsgefüge Staat, die Macht in die Hand gegeben, das Eigentum praktisch beliebig zu enteignen und leihweise, oder gnädigerweise, wieder einen Teil davon zurückzugeben, oder überhaupt gnädigerweise es überhaupt zu gewähren. Also man sieht ja schon an den Steuersätzen, wir hatten in Europa, in England zum Beispiel und in Schweden, schon Steuersätze von über 100%. Es gibt gar keine Grenze nach oben. Damals in Schweden sind so viele Unternehmer und leistungsfähige Leute ausgewandert. Was hat man getan? Man hat die Statistik der Auswanderung geschlossen, damit es nicht offiziell sichtbar war. Man hat nicht eingesehen, dass man hier etwas Dummes macht, sondern man hat einfach die Statistik geschlossen.

Rouvekia

So wie die deutschen Sozialdemokraten die Erfassungsstelle in Salzgitter auflösen wollen, um die Verbrechen der SED nicht wahrnehmen zu müssen. Aber gehen wir jetzt weiter mit zwei modischen Slogans. Erstens "soziale Gerechtigkeit". Man hört es links, rechts, oben, unten und in der Mitte. Man spricht über das Recht auf Arbeit, auf Bildung, auf Bananen, auf Nachttopf, und Bleistift, und so weiter. Der zweite Slogan heißt "Die Inkompatibilität der Marktwirtschaft mit der christlichen Moral". Was ist recht, was ist falsch?

Baader

Fangen wir mal mit Letzterem an, mit der angeblichen Inkompatibilität zwischen Marktwirtschaft und Moral, oder christlichem Glauben, oder den Zehn Geboten. Es wird da sehr viel Schindluder getrieben. Zunächst muss man feststellen es gibt keinerlei Widerspruch zwischen den Zehn Geboten und der Marktwirtschaft. Auch der Aspekt der Nächstliebe stellt keinen Widerspruch dar. Denn der Mensch ist aufgerufen, seinen Mitmenschen zu helfen, wenn sie in Leid und Not geraten. Völlig unabhängig davon, in welchem Staat sie leben. Ob sie in einer Marktwirtschaft leben, oder im Sozialismus leben, oder in einer Diktatur leben. Der Mensch ist aufgerufen von den christlichen Geboten zu einem bestimmten Verhalten. Und das hat mit der Ordnung in der er lebt zunächst einmal gar nichts zu tun.

Rouvekia

Und in jedem Stadt gibt es Strafe gegen unterlassene Hilfeleistung.

Baader

Richtig, ja, richtig. Nur werden, wenn man beispielsweise die christliche Religion... Bleiben wir mal bei den Geboten. Wenn die Zehn Gebote in Korrelation, in irgendeiner Verbindung, gebracht werden mit dem Markt, werden oft die völlig falschen Bilder gebraucht. Es wird beispielsweise die Geschichte vom Samariter so ausgelegt als würde die Marktwirtschaft gegen diese Hilfeleistung verstoßen. Das ist natürlich ein dummes Zeug. Also erstens mal ist dieses Bild nicht die Grundlage, nicht die Rechtfertigung, für einen Sozialstaat oder für einen Wohlfahrtsstaat. Denn dieser Samariter hat den Verletzten in die nächste Herberge gebracht und ist dann seines Weges gegangen. Er hat also nicht seine Kreditkarte dagelassen und gesagt "Fütter mir den Mann bis zu seinem Lebensende durch auf meine Kosten!". Zum anderen hat es ebenfalls mit Marktwirtschaft überhaupt nichts zu tun. Wenn Menschen einen Verletzten finden, dann sollen sie sich um ihn kümmern, ganz egal in welchem Staat oder in welcher Ordnung sie leben. Dann wird oft das Bild bemüht von dem Mann, der seinen Mantel geteilt hat.

Rouvekia

Heilige Martin.

Baader

Der Heilige Martin. Danke, ja. Man kann es auch so sehen: Als er seinen Mantel geteilt hat, hatte er und der Bettler jeweils nur einen halben Mantel. Das heißt, beide haben anschließend wahrscheinlich etwas gefroren. In der Marktwirtschaft würde es anders aussehen, nämlich da würde sich ein Unternehmer finden, der so günstig und billig Mäntel produziert, dass jeder einen hat. Einen ganzen. Und nicht nur zwei, sondern alle. Widersprüche kann man natürlich herbeizaubern, aber sie sind alle an den Haaren herbeigezogen. Einer der Ökonomen, ich glaube Demsetz war es, hat dazu einmal eine schöne Metapher entwickelt. Und zwar hat er von der Nirvana Fallacy geredet, das heißt, von dem Nirvana-Irrtum. Und damit hat er gemeint: immer wenn eine sozialistische, halbviertel, dreiviertel, oder ganz sozialistische Gesellschaftsordnung - reden wir lieber von System, Ordnung ist eigentlich der Ordnung der Freiheit vorbehalten - ein sozialistisches Gesellschaftssystem irgendwelche Mängel aufweist, dann wird es damit entschuldigt es sei eben noch nicht so weit. Der neue Mensch sei noch nicht so ganz neu, wie er sein müsste. Rom wäre auch nicht an einem Tag erbaut worden. Es wäre eben nur ein ständiges Bemühen dahin. In dem Moment, wenn etwas in einer Marktwirtschaft den Leuten unangenehm auffällt, wird der jeweilige Zustand immer mit dem Nirvana, mit dem Paradies, verglichen. Es wird also immer eine paradiesische Ordnung als Projektionsfläche hergenommen und die Kritik an einem bestimmten Geschehen vor diesem Idealzustand durchgeführt. Je freier Marktwirtschaften sind, desto mehr entsprechen die ökonomischen Geschehnisse den Wünschen der Konsumenten. Der eigentliche Herrscher in einer Marktwirtschaft ist ja der Konsument, nicht die Unternehmen. Die Konsumenten bestimmen, wo Kapital investiert wird, was produziert werden soll, und zu welchen Kosten. Der Unternehmer ist lediglich einer, der diese Bedürfnisse aufspüren muss, und versuchen muss, sie möglichst gut und möglichst günstig zu befriedigen. Der eigentliche Herrscher ist der Konsument. Und eine Marktwirtschaft richtet sich nach Regeln. Diese Regeln müssen eingehalten werden. Und einige dieser Regeln stammen sogar aus den Zehn Geboten. Also beispielsweise "Du sollst nicht stehlen.". Das ist ein ganz wichtiges Gebot. Zum Teil auch "Du sollst nicht lügen.". Wer in Marktwirtschaften zu viel lügt wird früher oder später es bitter büßen müssen durch einen Einbruch im geschäftlichen Erfolg.

Rouvekia

Eine falsche Bilanz.

Baader

Richtig. Wer also nicht die Wahrheit sagt bezüglich seiner Produkte und seiner Dienstleistungen, wird früher oder später scheitern. Er kann mal ein Geschäft machen oder auch mal ein paar, aber nicht auf Dauer.

Rouvekia

Das ist bei Telekom passiert mit dieser Bilanz die aufgeblasen war.

Baader

Richtig, ja. Früher oder später werden diese Leute scheitern. Also auch das Nicht-Lügen ist zum Teil eine der wichtigen Regeln in einem Markt. Und vor allen Dingen das Nicht-Stehlen. Man muss sich darauf verlassen können, dass das, was man erarbeitet einem auch gehört. Dass es nicht beliebig weggenommen werden kann, sonst erlarmt der Leistungsanreiz der Menschen. Und eine sehr wichtige weitere Regel ist die Versprechen einzuhalten. Also man kann es sagen, kein falsches Zeugnis zu geben, oder jedenfalls das Einhalten von Verträgen, Zusagen einzuhalten. Die Marktwirtschaft ist ein großes System von Privatverträgen. Und diese Verträge müssen verlässlich sein und eingehalten werden. Sie dürfen nicht gebrochen werden. So gibt es also eine ganze Menge von Überschneidungen. Es brauchen gar keine Überschneidungen zu sein. Jedenfalls es gibt keine Widersprüche. Ich wüsste.

Rouvekia

Dass mit den Verträgen könnte man im neuen Testament finden. Jesus sagt, "wenn du Ja sagst, sollst du Ja sagen und wenn Nein, Nein.". Das ist auch ein Vertrag.

Baader

Das ist ein schöner Ausspruch dafür. Ja, das ist richtig. Jedenfalls, ich sehe also, es gibt keinen Widerspruch. Alles, was dazu bemüht wird, was hier an angeblichen Widersprüchen bemüht wird, das ist eben im Sinne der sogenannten Nirwana Fallacy, also verglichen mit irgendeinem paradiesischen Zustand. Nun ist es ja so, auch im Wohlfahrtsstaat, auch in heutigen Staaten, sagen die Regierungen und die Gesetze "stehle nicht", "raube nicht", "erpresse nicht", "zwinge niemanden mit Gewalt dazu sein Geld oder Vermögen herzugeben".

Rouvekia

Das ist Staatsmonopol.

Baader

Das ist Staatsmonopol, ja. Aber eben, genau das wollte ich sagen. Der Einzelne soll sich daran halten. Indirekt wird gesagt, "Wenn aber du Bürger an das Geld deines Nachbarn willst, oder an das Geld und Vermögen aller anderen, wenn du die berauben, bestehlen willst, und erpressen willst, tu es nicht. Als Privatmann machst du dich strafbar. Sondern komm zu uns. Wir, Regierung, wir, X-Partei machen das für dich. Wir machen ein Gesetz, setzen einen Paragrafen davor, und dann kann das, was du gewollt hast, alles schön legal über die Bühne gehen. Wir können die Menschen beliebig abzocken, wir können sie ihres Eigentums berauben so viel wir wollen. Und dich anschließend damit beglücken und beschenken, indem wir dir angeblich kostenlose Bildung, kostenlose Gesundheitswesen und so weiter zukommen lassen.". Es wäre gut, wenn diejenigen der Zehn Gebote, die sich um das Eigentum kümmern - und das sind gleich zwei, nämlich nicht nur "Du sollst nicht stehlen das Eigentum deines Nachbarn", sondern "Du sollst es noch nicht einmal begehren.". "Du sollst nicht begehren deines nächsten Haus, Hof, Frau, Markt, und so weiter.". "Noch nicht einmal begehren.".

Rouvekia

Das Ganze komprimiert. Die Zehn Gebote.

Baader

Ja. Wenn das gelten würde in unseren heutigen Rechtssystemen, in den modernen Rechtssystemen, dann wären wir die meisten Probleme los.

Rouvekia

Es wird viel über die christliche Moral geredet. Altes und Neues Testament zitiert man häufig ohne die Bibel zuerst einmal richtig gelesen zu haben. Was aber hartnäckig getrieben wird ist eine semantische Verfälschung in der Übersetzung. Liebe anstelle von Barmherzigkeit, Solidarität anstelle von Nächstenliebe, Teilen anstelle von Almosen geben. Demnächst wird man im Grundgesetz das Recht auf Liebe, auf Gottes Hilfe, oder was weiß ich noch alles verankern wollen.

Baader

Und das ist genau das Gegenteil von Recht. Ein Recht auf Arbeit, Recht auf Wohnung, Recht auf Einkommen, Recht auf was auch immer, beinhaltet immer, dass andere gezwungen werden können dieses Gut zu liefern. Das ist also die Aushöhlung und Beseitigung des Rechts.

Rouvekia

"It's a claim, not a right.".

Baader

Richtig. Hayek hat schon deshalb, schon bei der Publikation, bei der Veröffentlichung der Menschenrechtsproklamation der Vereinten Nationen gesagt, "dies ist eine Proklamation des Totalitarismus.". Weil dort zum ersten Mal offiziell das Recht auf bestimmte Lebensverhältnisse, Recht auf Gesundheit, Recht auf Arbeit, genannt wurde. Er hat selbstverständlich gesehen, dass wenn man das als Recht verankert, gegen wen auch immer, dann muss man alle anderen zwingen dieses Gut zu liefern. Und das ist das Gegenteil von Recht. Das ist die Beseitigung des Rechts. Wenn ich Gewalt anstelle des Eigentums und des Rechts stelle, dann ist das das Gegenteil von Recht. Ich möchte noch ein paar Worte zum Begriff der Gerechtigkeit und der sozialen Gerechtigkeit sagen. Gerechtigkeit ist ein großer Begriff. Es streiten sich die Geister. Was ist das, Gerechtigkeit? Schlussendlich haben die Einsichtigsten der Leute, die sich mit diesem Thema befasst haben, herausgefunden, dass es eigentlich nur eine Art menschlicher Gerechtigkeit gibt. Mit allem anderen ist der Mensch überfordert. Und das ist die Regelgerechtigkeit. Das heißt also gleiche Spielregeln für alle. Was gerecht ist, welche Verteilung, oder welches Vermögen, oder was auch immer, führt ins Uferlose. Die Menschen sind so unterschiedlich in ihrer Veranlagung, ihrer Begabung, ihrem Können und Wollen, ihren Antrieben, Motiven, ihrer Gesundheit, ihrem Aussehen, und so weiter und so fort. Auch so unterschiedlich eingebettet in verschiedene Familien, Völker, Nationen, Erdteile, was auch immer. Dass es einfach schlicht und einfach unmöglich ist, irgendeinen Begriff der Gerechtigkeit zu finden, wenn es um irgendeine Art der gleichen Verteilung geht, oder des gleichen Einkommens, oder des gleichen Vermögens, oder was auch immer. Das geht nicht. Das führt nur zu Diktaturen, zu fürchterlichen Regimen, die mit Gewalt irgendetwas durchsetzen, was sie dann als Gerechtigkeit ausgeben. Die einzige Gerechtigkeit, auf die der Mensch pochen kann und sich verlassen kann, ist die Regelgerechtigkeit. Gleiche Regeln für alle. Und das ist ja nun gerade das, was der klassische Liberalismus und die Grundregel der Marktwirtschaft ist. Gleiche Regeln für alle. Also man muss sich das so vorstellen, ein Fußballspiel kann nur stattfinden, kann vernünftigerweise nur stattfinden, wenn gleiche Regeln für alle gelten, wenn die Regeln einheitlich sind. Man stelle sich einmal ein Fußballspiel vor, bei dem auf die Gegebenheiten der Individuen Rücksicht genommen wird. Also der eine ist stärker als der andere, der hat mehr Kraft, der andere ist größer, der andere schneller, der nächste sieht besser, hat ein besseres Auge, und so weiter und so fort. Wenn man das alles in das Spiel einbauen wollte, gäbe es eine Unzahl von Regeln, über die man sich jede Sekunde streiten müsste. Dieses Spiel könnte nicht stattfinden, es wäre eine einzige Streiterei.

Rouvekia

In einem der Afrika-Romane von Edgar Wallace will die Hauptperson, ein Kolonialoffizier, zwei verfeindete Sippen versöhnen. Anstelle Krieg gegeneinander zu führen, sollten sie lieber zwei Fußballmannschaften bilden und gegeneinander spielen. Gesagt, getan. Beim Spielen aber, sobald die erste Mannschaft den Ball erobert hat, zogen die Spieler ihre Dolche unverteidigt und blutig das Lederzeug. "Das ist unser Ball!".

Baader

Ja klar, damit ist das Spiel zerstört. Dann kann es nicht mehr stattfinden, sondern dann herrscht Krieg. Und ein friedliches Spiel, wie es auch der Markt ist, muss erstens friedlich ablaufen, und zweitens nach einheitlichen Regeln ablaufen. Und wer sich nicht daran hält, zerstört dieses Spiel. Und der größte aller Zerstörer in diesem Spiel ist natürlich der Staat mit seinen Regeln. Weil er vorgibt, jedem einzelnen Mitspieler gerechter zu werden und Gesetze macht, die dann einem angeblich seine Nachteile ausgleichen sollen. Das heißt, er macht genau das, was ich gesagt habe, für jeden einzelnen eine Sonderregel einführen zu wollen und damit endet alles im Streit. Das ist auch die Ursache der vollständigen Politisierung des Lebens, die wir heute erleben. Unser ganzes Leben ist vollständig politisiert, von Politik überzogen. Niemand mehr kann sich auf einheitliche Regeln verlassen. Er weiß nicht, ob er in der nächsten Minute diese Regel wieder umgestoßen wird. Er kennt noch nicht mal die Regeln. Niemand kann die hunderttausenden von Wälzern lesen, die da produziert werden. Auch selbst die Rechtsanwälte, selbst Rechtsgelehrte, können das nicht mehr. Also wer sich heute als Unternehmer beispielsweise an den Markt begibt, der geht ein Hochsicherheitsrisiko ein. Das ist ein Seiltänzer, der tanzt ständig über dem Abgrund. Und die Menschen haben aber das Gefühl, man hat ihnen eingeredet, "ihr habt ein Recht auf, ein Recht auf", und sehen nicht, dass sie damit mit diesem "Recht auf" den Staat als Superdiktator einsetzen. In dem Moment wenn sie sagen, "ich habe ein Recht auf", heißt es auch, "ich muss einen ermächtigen alles tun zu dürfen, um mir zu diesem Recht zu verhelfen.". Er braucht also eine unumschränkte Gewalt, praktisch. Und deswegen führt diese Art der Auffassung von Recht zu einer vollständigen Politisierung und zu immer mehr Macht und Herrschaft über die Menschen.

Rouvekia

Eben was in der Constitution der Vereinigten Staaten steht. Von Anfang an hat man versucht, dem Staat Schranken vor die Nase zu stellen.

Baader

Richtig, ja. Der Staat ist zweifellos der größte Freiheitsbedroher. Es gibt natürlich auch kriminelle Elemente. Menschen, die für andere Menschen gefährlich sind, und für ihre Freiheit, und für ihr Eigentum, und für ihr Leben gefährlich sind. Aber dafür, das ist ja der einzige Legitimationsgrund für eine staatliche Herrschaftsorganisation. Dass man sagt, "du Staat bist dafür da, um jeden Einzelnen vor Angriffen auf Leib und Leben und Gesundheit und Eigentum zu beschützen.". Nur deshalb stattet man ihn mit dieser hoheitlichen Herrschaftsgewalt aus. Wenn allerdings der Staat nun, was er immer tut, diese Legitimität zum Gewaltmonopol missbraucht, indem er seine eigenen Bürger ausraubt und kommandiert, dann hat er genau das Gegenteil getan. Er wird damit eigentlich illegitim. Also von der Legitimität in die Illegitimität ist ein ganz kleiner Schritt. Und dieser Schritt ist in unserer Welt schon mit sieben Meilenstiefeln gegangen worden. Das heißt, die Klassisch-Liberalen haben das ja auch von Anfang an gesehen, dass die größte Gefahr für die Freiheit der Menschen, für die persönliche Freiheit, und eine andere als die persönliche Freiheit gibt es nicht, immer die Monopolgewalt ist. Also das staatliche Ungeheuer, der Leviathan. Und das Bemühen der Klassisch-Liberalen im 17., 18. Jahrhundert und auch noch im 19. Jahrhundert, war immer danach darauf gerichtet, einen Wall gegen Willkür und Arroganz der Herrschenden zu schaffen. Während wir das völlig aus den Augen verloren haben, sondern in unserem Sozialwahn, mit unserem "Recht auf alles", brauchen wir einen immer stärkeren Leviathan, der zu allem befugt ist, der allen alles abnehmen kann, um diese von uns eingeforderten angeblichen Rechte zu erfüllen. Das ist also die Umkehrung aller Werte.

Rouvekia

Friedrich Nietzsche sagte doch, "der Staat ist das kälteste aller Ungeheuer.".

Baader

Recht hat er. Das kann mal eine Weile gut gehen, aber wie die Geschichte lehrt, sind die Menschen immer wieder über die Jahrtausende in Versklavung und zum Teil auch in den Tod geschickt worden, in Krieg und Gefängnis und Massenvernichtungen und Genoziden durch staatliche Hoheitsträger, durch die staatliche Organisation.

Rouvekia

Nächste Woche werden wir den dritten Abschnitt unseres Gesprächs mit dem weltbekannten Ökonom Roland Baader ausstrahlen.

Streiflichter des Lebens. Eine Sendung von und mit Alexander Rouvekia, der Persönlichkeiten des musikalischen, literarischen und wissenschaftlichen Lebens von hier und anderswo vor sein Mikrofon bittet. Streiflichter des Lebens, eine Originalsendung, die von Radio RTL 103,5 FM am 1. und 2. Mittwoch jeden Monats von 9:02 bis 9:30 Uhr ausgestrahlt und am 3. bzw. 4. Mittwoch jeden Monats um dieselbe Zeit wiederholt wird.

Teil 4

Rouvekia

Streiflichter des Lebens. Eine Sendung von und mit Alexander Rouvekia, der Persönlichkeiten des musikalischen, literarischen und wissenschaftlichen Lebens von hier und anderswo vor sein Mikrofon bittet. Streiflichter des Lebens, eine Originalsendung, die von Radio RTL 103,5 FM am 1. und 2. Mittwoch jeden Monats von 9:02 bis 9:30 Uhr ausgestrahlt und am 3. bzw. 4. Mittwoch jeden Monats um dieselbe Zeit wiederholt wird.

Meine Damen und Herren, der Gast unserer Sendungen im Juni und Juli ist, wie Sie schon wissen, Herr Roland Baader, derzeit bekanntester populärwissenschaftlicher Freiheitsdenker des deutschen Sprachraums. Der heutige Teil ist auf Freiheit und Demokratie gerichtet.

Es wird sehr oft vergessen, dass der Kommunismus - laut Lenin höchstes Ziel des Sozialismus - 247 Millionen Menschen ihres Lebens beraubt hat.

Baader

Seltsamerweise wird das weltweit regelrecht verschwiegen. Es ist kein Thema, es wird nie thematisiert, sondern wenn von Bösem, und von Schuld, und von Völkermord gesprochen und geschrieben wird, dann immer nur diese eine Periode, die zwölf Jahre Nazi-Herrschaft in Deutschland. Auch da wird verschwiegen. Das nennt sich dann Faschismus, um zu verschleiern, dass es sich um Sozialismus gehandelt hat, wortwörtlich Nationalsozialismus.

Rouvekia

In der großen sowjetischen Enzyklopädie ist das Wort Nationalsozialismus überhaupt nicht zu finden. Es wird immer wieder nur vom Faschismus geredet.

Baader

Das ist klar. Das war auch eine von Stalin ausdrücklich ausgegebene Parole, niemals von Nationalsozialismus zu reden, sonst hätte man ja die Bruder- und Schwesterverwandtschaft dieser beiden Ideologien sofort erkannt, sondern ausschließlich von Faschismus zu reden. Wobei mit dem Wort Faschismus natürlich der Nationalsozialismus verharmlost wird. Also der Faschismus, der eher für ein System, wie es Mussolini hatte, zutrifft wenn überhaupt. Damit ist Hitlers Nationalsozialismus verharmlost. Aber man hat den Begriff gewählt, um eben zu verschleiern, dass es sich um eine sozialistische Variante handelt.

Rouvekia

Maurice Bardech, selbst ein Faschist, sagte, dass es so viele verschiedene Faschismen gäbe wie Völker. Deutscher Nationalsozialismus, italienischer Faschismus, spanische Falange, und so weiter.

Baader

Auch der Peronismus war eine Abart des Faschismus, südamerikanische Variante. Es gibt viele Varianten davon.

Rouvekia

Neulich haben ein paar Journalisten auf Evitas angebliche Geheimkonten Jagd gemacht, aber nichts gefunden.

Baader

Ja, das glaube ich schon, die hatten bestimmt ihre Milliarden gut versteckt.

Rouvekia

Ich glaube, dass diese Milliarden waren irgendwie wie die Atombombe von Saddam Hussein. Auch so ein schönes Märchen, um es zu erlauben. In ihrem Buch "Kreide für den Wolf: Die tödliche Illusion vom besiegten Sozialismus" zitieren sie Oskar Lafontaine. "Demokratie und Sozialismus sind eine Tautologie, denn Sozialismus ist ohne Demokratie gar nicht möglich.". Recht hat er. Nur eine Demokratie erlaubt, dass diese Demagogen ihre hohlen Parolen vortragen dürfen. Lenin hätte den Zar nicht stürzen können, wie er es mit dem schwachen Kerenski getan hat.

Baader

Ja.

Rouvekia

Aber ich glaube nicht, dass Lafontaine diese Bekenntnis machen wollte.

Baader

Nein, bestimmt nicht, er hat bestimmt was anderes gemeint. Es ist eigentlich eine verhängnisvolle Identifizierung, dass man sagt, Demokratie sei dasselbe wie Sozialismus. Oder manche machen auch das umgekehrt, dass sie sagen, Freiheit und Demokratie sei dasselbe. Sie haben recht, dass die Auffassung von Demokratie, die sich durchgesetzt hat, entgegen den Ursprüngen der Demokratie, also die heutige Auffassung von "one man, one vote", "jeder hat die gleiche Stimme", Massendemokratie, natürlich den Sozialismus begünstigt. Weil es sich immer eine Mehrheit finden wird, die eine Minderheit ausbeuten möchte. Nur ist das ein unendliches Spiel. Also, die Public-Choice-Theorie hat gezeigt, dass dieses Umverteilungsspiel kein Ende hat. Es gibt immer neue Koalitionen die dann durch Versprechen der Enteignung der ursprünglichen Begünstigten wiederum neue Verhältnisse schaffen und so weiter. Das Ding nimmt kein Ende. Verhängnisvoller noch ist die Gleichsetzung von... Oder sagen wir es mal so, die Demokratie war eigentlich ursprünglich - um nochmal bei der Demokratie kurz zu bleiben - wiederum ein Wall gegen die Arroganz der Herrschenden. Es sollte deren Willkür beschnitten werden. Und das hat sich gewandelt, das ist ausgeufert. Heute verstehen wir durch den sehr verhängnisvollen Begriff der Souveränität - vor allen Dingen von Jean-Jacques Rousseau eingeführt, ein sehr, sehr übler Begriff - praktisch Allmacht. Also, ein Volk was Demokratie als Volkssouveränität betrachtet, besagt ja, der Willen dieses Volkes als Kollektiv ist unantastbar, es steht über allem. Und damit kann dieses Volk... Da es sich nicht in der Masse selbst regieren kann, muss es also eine Regierung wählen und überträgt dieser Regierung seine Souveränität. Und damit ist diese Regierung wiederum allmächtig. Also mit diesem Begriff, der nicht mehr als Schutz gegen die Willkür von Herrschenden gedacht ist, sondern der sich umgekehrt hat. Das Volk als Souverän zu betrachten, als unbeschränkten Herrscher, was wiederum seine Herrschaft wählen kann, führt zu einem Demokratiebegriff, der in die größte Despotie ausartet, nämlich unbeschränkte Herrschaft der jeweiligen Regierung. Das einzig Positive, was die Demokratie heute noch hat, ist, dass man die Köpfe unblutig abwählen kann. Aber das Volk wählt sich bei jeder Wahl den nächsten Despoten, der sie zu Knechten machen wird.

Rouvekia

Nicht aber in der vernünftigen Weise der Römer, die in Krisenzeiten einen fähigen, selbstlosen und ehrenhaften Bürger als Diktator auf 6 bis 24 Monate wählten, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

Baader

Das ist der Begriff des wohlwollenden Diktators. Das kann machmal gut gehen. Wir haben es beispielsweise gesehen in Singapur mit einer nicht-demokratischen Herrschaft, einer autokratischen Herrschaft, was aus allerbitterster Armut zum zweitreichsten Staat der Welt geworden ist nach Hongkong. Unter der Regie eines bzw. mehrerer autokratischen Herrscher, nicht-demokratisch gewählten Herrscher. Das kann gut gehen. Nur kann man daraus, darf man daraus, natürlich nicht folgern, dass diese Diktatur, oder diese Art der Regierung, die bessere sei. Weil sie kann natürlich jederzeit umschlagen. Sie kann zu einem Pol Pot werden. Und es lohnt sich deshalb durchaus für die Demokratie einzustehen, aber zugleich zu sagen, dass unsere Art der Auffassung und Form der Demokratie vollkommen ausgeufert ist, völlig pervertiert ist. Und dass man wirklich daran arbeiten muss, sie wieder zurückzustutzen zu ihrem ursprünglichen Wesen wie sie gedacht war. Dazu gehört vor allen Dingen ein weitgehender Föderalismus, d.h. ein echter Föderalismus, die Gliederung des großen Nationalstaates in Länder, Kantone, Gemeinden usw. Und diesen einzelnen politischen Bereichen sehr viel eigene Handlungsfreiheit zu lassen. Auch eine gewisse Steuerhoheit. Wenn überhaupt schon Steuern sein müssen, dann gehören sie meiner Ansicht nach auf die Gemeindeebene. Eigentlich dürften nur die Gemeinden Steuern erheben und müssten den großen Nationalstaat abspeisen mit ein paar Prozenten. Weil in dieser Gemeinde die Menschen leben. Dort haben sie eine Übersicht über ihr Leben. Dort können sie auch hautnah, ganz nah entscheiden, was notwendig ist und was nicht notwendig ist. Also diese Art der Demokratie an die sich die Schweiz noch am ehesten annähert, ist eine Form, die man als Klassisch-Liberaler durchaus befürworten kann. Natürlich noch viel weitgehender als die Schweiz. Die Schweiz hat ihre ursprünglich noch viel besser funktionierende Demokratie im Laufe der Zeit auch verloren. Durch Finanzausgleich und solche Dinge. Diese Gleichschalterei. Wichtig ist, dass es zu dem kommt, was die Gesellschaftswissenschaftler nennen "den Wettbewerb der politischen Konzeptionen".

Also alles menschliche Handeln ist ja fehlbar. Wir machen Fehler. Alle machen Fehler. Und auch Wohlwollende und die besten Regierenden machen Fehler. Aber sie müssen wenigstens schnell lernen. Dieses System des Trial and Error, also des Versuchs und des Irrtums, der am Markt ganz schnell vor sich geht. Im Markt muss jeder der Beteiligten ganz schnell aus seinen Fehlern lernen sonst geht er unter. Das ist in der Politik nicht der Fall. In der Politik können sich Fehler lange lange lange halten. Und umso länger, je weniger Alternativen da sind. Wenn ich also in der Schweiz von einem Kanton, der anfängt wahnwitzige Steuern zu erheben, oder einer Gemeinde, die sich irgendwelche verrückten Gesetze einfallen lässt, ganz schnell...

Rouvekia

In Bern. Jetzt wollen die eine andere Verfassung haben.

Baader

Beispielsweise. Ganz linke Stadt. Wenn die Menschen die Möglichkeit haben, mit wenig Aufwand gerade ihre Gemeinde zu wechseln, um zu völlig anderen politischen Verhältnissen zu kommen, dann ist das ein Korrektiv. Ein relativ gutes Fehlerkorrektiv für politische Fehler. Und deswegen ist auch beispielsweise die Zentralisierung Europas in der EU, diese sogenannte Harmonisierung, so verhängnisvoll. Weil der Wettbewerb der politischen Konzeptionen aufhört. Das ist ein politisches Monopol, wird diese EU, wo die Menschen nicht mehr ausweichen können. Gesamteuropa ist also praktisch wie ein Hasenstall, in die alle eingesperrt sind. Und wenn von oben dann die Gesetze kommen, und der Steuerzugriff, und der Abgabenzugriff, alles schön harmonisiert, dann gibt es keinen entrinnen mehr. Also diese pervertierte Art der Demokratie ist es, die völlig ausgeartet ist. Es gibt eine ganze Menge Leute, die deshalb auch die Monarchie bevorzugen. Also einer der freiheitlichsten Denker, die es überhaupt auf der Welt gibt, das ist mein lieber Freund Hans Hoppe. Er ist Nationalökonom an der Universität von Nevada. Ein Nachfolger auf dem Lehrstuhl von Rothbard, einem der ganz großen Libertarians. Und der hat jetzt gerade, noch nicht so lange her, da ist sein Buch rausgekommen, "Democracy: The God That Failed". Also "Demokratie: der Gott, der gefallen ist" oder "der gar keiner ist". Und da weist er nach, dass Monarchen, ähnlich wie Großgrundbesitzer vielleicht, damit könnte man es vergleichen, ihre Völker nicht so weit ausbeuten und kaputt machen, dass ihre Nachkommen nicht mehr von diesem Land leben können. Was aber bei Demokraten sehr wohl der Fall ist. Die wissen, eine Regierungsperiode oder zwei nach uns die Sintflut, haben keinerlei Interessen an einer langen nachhaltigen, guten Entwicklung eines Landes. Das ist das Ähnliche wie die Sache mit der Tragedy of the Commons, mit der Wiese. Rausholen, was rauszuholen ist. Die langfristigen Aspekte vergessen. Diese Argumentation hat viel für sich. Jedenfalls lehrt sie uns auch, die Schwächen der Demokratie zu erkennen und daraus zu lernen, was wir gar nicht mehr tun. Für uns ist Demokratie wirklich, wie Hoppe sagt, ein Gott. Für uns ist das die höchste aller politischen Zustände und wir setzen sie mit Freiheit gleich. Und das stimmt nicht. Ich glaube, es war Pascal Salin, ihr wunderbarer Professor in Paris, der in einem Interview gesagt hat, wir haben uns zu früh gefreut als der Sozialismus zusammengebrochen ist und der gesamte Ostblock. Weil wir Demokratie mit Freiheit verwechselt haben. Und auch die Menschen dort haben das verwechselt. Sie haben geglaubt, wenn Demokratie kommt, sei das gleich Freiheit. Dem ist aber nicht so. Zur Freiheit gehört vor allen Dingen Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft. Das sind die Grundlagen. Und Marktwirtschaft ist mehr als ein ökonomisches System. Es ist nicht nur ein Wirtschaftssystem. Es ist auch eine Gesellschaftsordnung. Eine Ordnung des...

Rouvekia

Und auch ein State of Mind.

Baader

Auch das, richtig.

Rouvekia

Ein etat d'esprit.

Baader

Ja, ein Geisteszustand.

Rouvekia

Die Antinomie Monarchie vs. Demokratie wurde in die Köpfe eingehämmert. Monarchie ist aber eine Staatsform und die Demokratie eine Regierungsform. Die Begriffe sind anders zu koppeln. Monarchie vs. Republik und Demokratie vs. Diktatur. Wobei ich sagen muss, dass die meisten Diktaturen Republiken waren. Hitler war kein Monarch. Stalin kein Monarch. Mao Zedong auch kein Monarch.

Baader

Ja, ist richtig. Kein Widerspruch.

Rouvekia

Alle politischen Parteien berufen sich auf die Mitte. Ohne zu denken, dass Mitte untrennbar mit Mittelmäßigkeit verbunden ist. Naja. Das, was sie über Steuer sagten, hat mich an die Republik Andorra erinnert. Dort zahlt der Bürger keine Steuern.

Baader

Einer meiner Freunde lebt in Campione. Die haben auch keinen Pfennig Steuern. Die finanzieren sich nur durch die Spielbank. Die zahlen noch nicht mal Müllgebühren. Die brauchen keine Steuern.

Rouvekia

Und ist die Demokratie so eine Art panacée universelle, die man gegen alle Krankheiten benützen kann bzw. bei allen Völkern einsetzen kann?

Baader

Nein, nein.

Rouvekia

Man kann nicht mit gleichen Gesetzen?

Baader

Nein. Also, ich hätte durchaus auch Sympathien, und viele klassisch Liberale haben das, mit einer sogenannten aufgeklärten Monarchie. Also einer Monarchie mit deutlichen demokratischen Zügen.

Rouvekia

Wie England oder Spanien.

Baader

Zum Beispiel, ja. Also das durchaus. Wobei der Klassisch-Liberale immer, egal ob es sich um Monarchie, oder Aristokratie, oder Oligarchie, oder Demokratie handelt, um was auch immer, zuallererst sagt und sagen muss "Fast keine Politik!".

Rouvekia

Möglichst wenig Staat.

Baader

Also so wenig Staat wie überhaupt nur möglich. Sehr, sehr wenig. Dann ist es fast egal, wer da vorne sitzt, oder jedenfalls nicht mehr so wichtig, wie dann, wenn diese Politik das gesamte Leben umfasst, dann wird die Frage, wer herrscht, tödlich.

Rouvekia

In seinem Werk "Der Todestrieb in der Geschichte: Erscheinungsformen des Sozialismus" schreibt der Mathematiker Igor Schafarewitsch, "die konsequente Anwendung sozialistischer Prinzipien überall auf der Erde müsste zum Aussterben der gesamten Menschheit führen.".

Baader

Richtig. Es ist ein System des Todes. Also, man kann es nicht ganz umfassend aber am ehesten noch mit dem erklären, was wir vorhin hatten, mit diesen zwei Welten. Es sollen die Werte der kleinen, warmen, engen Gruppe auf die große, anonyme, arbeitsteilige Gesellschaft, auf die ganze Welt, aufgestülpt werden und damit vernichtet man sie. Deswegen, es muss immer in einer Diktatur ausarten. Es muss, es gibt keinen anderen Weg. Weil die Regeln der kleinen, warmen Gruppe, der kleinen, engen face-to-face Gesellschaft, kann man niemals auf diese große, anonyme Gesellschaft aufpfropfen. Dazu bedarf es diktatorischer Machtfülle. Und dazu bedarf es der Scharfrichter, die alle Köpfe gerade schneiden, die also praktisch die gesamte Bevölkerung einebnen mit Feuer und Schwert. Und deswegen hat dieser Autor recht. Ich kenne es, ich habe es vor vielen Jahren gelesen. Hat mich gefreut endlich mal von der anderen Seite her eine gewisse Unterstützung zu erhalten. Er hat recht. Sozialismus ist ein System des Todes. Wir müssen aber auch sehen, das ist ganz wichtig, dass der Samtpfoten-Sozialismus, der weiche Sozialismus des Wohlfahrts- und Sozialstaates, zwar kein Hardcore-Sozialismus ist, dass er aber genauso tötet, nur länger, langsamer und langfristiger, weil immer noch genügend Kräfte, leistungsfähige Kräfte des Marktes, dagegenstehen, aber das Ergebnis ist langfristig dasselbe. Kürzlich hat ein amerikanischer Ökonom darauf hingewiesen, in einem sehr schönen Vortrag, dass die meisten Leute, auch Ökonomen und auch Politiker, am weltweiten Zusammenbruch des Sozialismus eingesehen haben, dass man Volkswirtschaften nicht zentral planen und steuern kann. Und dann sagte er richtigerweise, "das gilt aber auch in der Marktwirtschaft!". Wir glauben ja, das waren nur die zentralistischen Planwirtschaften des Ostens, hier bei uns können wir rumfuhrwerken soviel wir wollen. Diese Weisheit bleibt bei uns dieselbe. Auch hier hat niemand die Fähigkeit, niemand das Wissen, niemand die Information, um eine so komplexe Ordnung wie eine Marktwirtschaft sinnvoll zu steuern und zu lenken. Das geht nicht. Das ist Hybris, das ist Wahn, Anmaßung. Eine freie Wirtschaft, ein freier Markt, sind Milliarden von Kooperationen, Milliarden unterschiedlicher Präferenzen, so viele wie es Menschen gibt. Unterschiedliche Zielsetzungen, unterschiedliches Können, unterschiedliches Wollen, unterschiedliche Gegebenheiten, unterschiedliche Fähigkeiten, Ausbildung, unterschiedliches Wissen, usw. Und diese Milliarden verschiedener Phänomene verknüpfen sich im arbeitsteiligen Prozess mit allen anderen Milliarden und schaffen stündlich, minütlich, sekündlich völlig andere Gegebenheiten. Und all diese Präferenzen und Ziele usw. ändern sich wiederum. Der Mensch entwickelt sich ja, ändert sich ständig.

Rouvekia

Um einen Wunsch unseres Gastes Roland Baader zu erfüllen, schließen wir unsere heutige Sendung mit Solveigs Lied aus der Peer Gynt Suite von Edvard Grieg. Nächste Woche werden wir den fünften Abschnitt unseres Gesprächs mit dem weltbekannten Ökonom Herrn Roland Baader ausstrahlen.

Streiflichter des Lebens. Eine Sendung von und mit Alexander Rouvekia, der Persönlichkeiten des musikalischen, literarischen und wissenschaftlichen Lebens von hier und anderswo vor sein Mikrofon bittet. Streiflichter des Lebens, eine Originalsendung, die von Radio RTL 103,5 FM am 1. und 2. Mittwoch jeden Monats von 9:02 bis 9:30 Uhr ausgestrahlt und am 3. bzw. 4. Mittwoch jeden Monats um dieselbe Zeit wiederholt wird.

Teil 5

Rouvekia

Streiflichter des Lebens. Eine Sendung von und mit Alexander Rouvekia, der Persönlichkeiten des musikalischen, literarischen und wissenschaftlichen Lebens von hier und anderswo vor sein Mikrofon bittet. Streiflichter des Lebens, eine Originalsendung, die von Radio RTL 103,5 FM am 1. und 2. Mittwoch jeden Monats von 9:02 bis 9:30 Uhr ausgestrahlt und am 3. bzw. 4. Mittwoch jeden Monats um dieselbe Zeit wiederholt wird.

Meine Damen und Herren, der Gast unserer Sendungen im Juni und Juli ist Herr Roland Baader, derzeit bekanntester populärwissenschaftlicher Freiheitsdenker des deutschen Sprachraums. Der heutige Teil ist auf Antiamerikanismus, Antikapitalismus und Reformpolitik gerichtet.

Kurz vor dem Irakkrieg war ich in München. Eine Demonstration jagte die andere. Viele Demonstranten gingen auf die Straße gegen den Krieg. Ich wäre damit einverstanden, wäre nicht die Gelegenheit ausgenutzt worden, um gegen den Kapitalismus zu schreien, nicht gegen die Amerikaner oder die Bush-Regierung, oder Blair von Großbritannien. Fast alle Demonstranten waren aber Wohlfahrtsempfänger eben des kapitalistischen Systems.

Und das störte mich.

Baader

Ja, das ist ein Phänomen, was man seit 100 Jahren beobachten kann. Also, was die Menschen weltweit einigt ist der Antikapitalismus. Und beispielsweise der Antiamerikanismus ist nur eine Unterform davon. Wobei natürlich ein Unterschied ist, ob man gegen das, was nun Bush treibt, ist, oder ob man ganz prinzipiell gegen das sogenannte amerikanische Wirtschaftssystem ist. Aber, diejenigen, die generell gegen die USA eingestellt sind, ganz prinzipiell, das ist eine Unterform des Antikapitalismus. Der Antikapitalismus ist weltweit unter allen Intellektuellen verbreitet. Es gibt kaum Andere, ich schätze...

Rouvekia

Aber die sind vom Kapitalismus subventioniert.

Baader

Natürlich. Die leben wie die Made im Speck. Natürlich, das ist richtig. Die leben wie die Made im Speck von der Leistungsbereitschaft der Leistungsträger in der Marktwirtschaft und im Kapitalismus. Aber sie sind dagegen. Es gibt natürlich sehr sehr viele Gründe warum sie das sind. Das war ja ein Anlass, weshalb ich mein Buch "Totgedacht" geschrieben habe, um diesen Motiven, diesen vielfältigen Motiven, mal nachzugehen, weshalb dem so ist. Aber man kann davon ausgehen, dass unter den Intellektuellen weniger als 1% weltweit nicht antikapitalistisch ist. Man kann auch am Büchermarkt sehen, fast alle Bestseller, die sich mit dem Thema Politik und Ökonomie befassen, sind antikapitalistisch. Also, in Frankreich besonders viele, Viviane Forrester "L'horreur économique". Auch sogenannte Kapitalisten, schauen Sie Soros an. Auch ein Antikapitalist, weil er nichts vom Kapitalismus versteht. Also, dieser Mann versteht sehr viel von Währungssystemen, versteht sehr viel von Aktien und Spekulationen, ist also ein genialer Finanzjongleur. Aber wenn es um Kapitalismus geht, d.h. um die Lehre von der Wirtschaft, von der ökonomischen Ordnung einer Freiheit.

Rouvekia

Das ist ein Praktiker von dem System.

Baader

Davon versteht er nichts. Und deswegen ist die Welt überspült von einem Wust von antikapitalistischen Bestsellern. Und die wenigen, die etwas anderes vertreten, sind eben leider nur ein paar Ökonomen, die ihre akademischen Bücher schreiben, die kein Mensch liest. Also vielleicht der eine oder andere Kollege. Und damit hat es sich. Es sind nur ganz ganz wenige Leute, Denker, unterwegs, die sowohl die akademische, auch die wissenschaftliche, Ausbildung haben, sich zu äußern, als dieses auch in einer populären Weise tun, das Volk ansprechen. Die meisten Intellektuellen kommen von ganz anderen Ufern.

Rouvekia

Ludwig von Mises sagte, "der Sozialismus ist nicht Wegbereiter einer besseren und schöneren Zukunft, sondern Zertrümmerer dessen, was Jahrtausende der Kultur mühsam geschaffen haben.". Ende des Zitats. Die amerikanischen Bomben im zweiten Weltkrieg waren nicht nur gegen Hitler, sondern auch gegen Deutschland und sogar gegen Frankreich von dem Sozialisten Roosevelt geschickt, um Europa in die vorgeschichtliche Zeit zurückzubomben, wie sich die Amerikaner generell über viele ihrer Zielländer ausgedrückt haben.

Baader

In die Steinzeit zurückbomben, ja.

Rouvekia

In die Steinzeit, in die vorindustrielle, in dadada. Die haben fast eine Besessenheit. Und Ernst Jünger sagte, "die Verbindung zum Mittelalter ist nun auch gebrochen.".

Baader

Ja, ein sehr weiser Satz.

Rouvekia

Eine zerstörte Stadt, wie z.B. Coventry oder einige Stadtteile von London, kann man verkraften. Aber die Städte Deutschlands wurden alle nahezu auf einen Schlag zerstört.

Baader

Das ist richtig. Ja, und Sie haben auch recht, so etwas kann eigentlich nur einem Sozialisten wie Roosevelt und seinem ebenso sozialistischen Berater Morgenthau einfallen.

Rouvekia

Roosevelt wurde von der Operation Barbarossa zutiefst schockiert, weil er mit den Gedanken spielte eine sozialistische Achse zu schmieden. Stalin, Hitler, Roosevelt. Verschiedener couleur, aber alle drei Sozialisten. Gott sei Dank, dass Hitler einmarschiert ist und dieses Bündnis nicht zustande gekommen ist.

Baader

Es ist immer noch zustande gekommen. Später durch die Allianz, die russisch-amerikanische Allianz, ist es ja immer noch zustande gekommen. Aber wieder zerbrochen, recht bald zerbrochen.

Rouvekia

Die Amerikaner haben gestanden, dass schon 1972 die höchst präzisen Kugellager, welche die Sowjets für ihre Interkontinentalraketen verwendet haben, in den USA hergestellt wurden. No comment.

Baader

No comment, ja.

Rouvekia

Business as usual. Das Märchen über das Ende des Kalten Krieges erst in den 90er Jahren ist also eben nur ein Märchen.

Baader

Also in der Politik können Sie gar nichts ausschließen. Politik ist ein übles Geschäft, zum Teil ist es ein verbrecherisches Geschäft, egal in welcher Nation es stattfindet oder in welchen Systemen es stattfindet. Deswegen muss der Klassisch-Liberale immer darauf bestehen, so wenig Politik als nur möglich. Wie Anthony de Jasay sein Buch genannt hat: "Against Politics". Politik zerstört die Welt. Markt baut sie auf und Politik zerstört sie. Deswegen ist eines der weisesten Sätze, die Ökonomen jemals von sich gegeben haben, der Satz "Markt oder Befehl". Wir müssen wissen, dass jeder einzelne Vorgang, jeder einzelne ökonomische Vorgang der dem Markt entzogen wird, in der Hand politischer Figuren, in der Hand von Gewalt und Zwang landet. Und das müssen wir auch bei unseren Forderungen wissen. Wenn wir sagen, wir wollen dies oder jenes nicht dem Markt überlassen. Meistens werden da sehr edle Dinge verkündet, man dürfe also... Arbeit sei kein Gut wie jedes andere und das dürfen wir nicht dem Markt überlassen. Oder Gesundheit. Wann immer wir das sagen, sagen wir im selben Augenzug, es muss in die Hand von Machtfiguren. Und damit ermächtigen wir diesen Moloch, diesen riesigen Tyrannosaurus namens Staat immer mehr und mehr. Bei allem was wir fordern, tun, müssen wir wissen, es gilt: Markt oder Befehl. Am Markt geht es friedlich vor sich, im friedlichen Wettbewerb und freiwillig. Und es muss legal sein, sonst landet derjenige, der sich nicht daran hält, im Gefängnis, wenn er erwischt wird. Aber die Alternative dazu ist nicht irgendeine andere Form von Wirtschaft, sondern Befehl. Das ist eine ganz wichtige Erkenntnis.

Rouvekia

Apropos Gesundheit, Frau Ulla Schmidt zeigt uns ihre fragwürdigen Leistungen. Sogar die Kommunisten haben darauf aufgepasst, dass der Gesundheitsminister ein Arzt war.

Baader

Na ja, das ist ja eines der Merkmale der Politik. Wir können ja Minister austauschen wie wir wollen. Wer heute Landwirtschaftsminister ist, der kann morgen Finanzminister werden und übermorgen Verteidigungsminister. Das spielt alles gar keine Rolle, diese Leute müssen nichts verstehen.

Rouvekia

Das hat man mit Scharping gesehen.

Baader

Ja, die müssen nichts verstehen, die müssen lediglich den Willen haben, etwas, was sie für richtig oder was andere Berater für richtig halten, mit Gewalt durchzusetzen.

Rouvekia

Wissen ist Macht. Wenn man nichts weiß, macht es auch nichts.

Viele unserer Zeitgenossen gurgeln geradezu mit dem Wort Freiheit, aber meinen nicht Freiheit, sondern Chaos. Sobald über Regeln und Disziplin geredet wird, rebellieren diese Gentlemen. Von Hayek aber sagte, "die Befolgung abstrakter Regeln in der Großgruppe der Gesellschaft erfordert Disziplin und Zwang, die wir eigentlich instinktiv ablehnen und hassen. Da uns diese Zwänge so sehr missliebig sind, kann man kaum behaupten wir hätten sie uns bewusst ausgesucht. Eher haben diese Zwänge uns ausgesucht, sie haben uns das Überleben ermöglicht.".

Soviel ich weiß, waren Sie ein Lieblingsstudent von Hayek.

Baader

Ich habe ihn sieben Semester gehört und bei ihm Diplomarbeit geschrieben, ja.

Rouvekia

Und deshalb möchte ich Sie gerne fragen: Wie ist dieser Satz von Hayek zu interpretieren?

Baader

Es ist der Ausdruck Hayeks gegen die Anmaßung von Wissen. Also, vor allen Dingen im Zuge des Fortschritts der Naturwissenschaften haben die Menschen sich in den Wahn versteift, sie seien auch bezüglich der eigenen Fähigkeiten und Erkenntnisse eines ständigen Fortschritts fähig. Das heißt, alle Unzulänglichkeiten des Menschen und der Menschen könne man beseitigen, wenn man nur genügend wisse über den Menschen. Das ging vor allen Dingen sehr stark los nach der Gründung der École Polytechnique in Paris, die ja dann auch Figuren wie Saint-Simon, Sainte-Beuve hervorgebracht hat. Hoch arrogante Leute, die geglaubt haben, alle Unzulänglichkeiten der Menschen und der Erde seien nur auf mangelndes Wissen zurückzuführen. Und dem müsse man einfach durch eine Ansammlung enzyklopädischen Wissens entgegenwirken und könne das alles ausmerzen.

Rouvekia

Dann kam die Enzyklopädie.

Baader

Ja, und tatsächlich den idealen allwissenden Menschen schaffen.

Rouvekia

Aber die Enzyklopädie war schon nicht mehr so modern, als sie veröffentlicht wurde. Da waren schon ziemlich veraltete Kenntnisse drin.

Baader

Das ist richtig, aber diese Leute hatten den Wahn. Es sei also, ähnlich den Naturwissenschaften, dass man von Fortschritt zu Fortschritt eilen könne. Und, so wie man ursprünglich in dem falschen Glauben gelebt habe, dass die Erde eine Scheibe sei und die Sonne um die Erde herum kreise. Und man das nun besser wisse. So sei es auch mit den Menschen. Alle seine Unzulänglichkeiten seien auszurotten durch Ansammlungen, durch besseres Wissen. Hayek hat nun in allen seinen Schriften deutlich gemacht, dass das ein Wahn ist. Der Mensch ist und bleibt unzulänglich. Natürlich kann er sehr sehr viel Wissen erwerben. Aber er wird niemals fähig sein, ein so komplexes Gebilde wie eine menschliche Gesellschaft zu durchdringen, mit seinem Verstand zu durchdringen. Er kann nachträglich in einer Art philosophischer Rückschau gewisse Dinge in dieser Gesellschaft erkennen, gewisse Regelmäßigkeiten.

Rouvekia

Eine Art philosophische Inventur vom Nachlass.

Baader

So ähnlich, ja. Und auch das beschränkt, im Nachhinein. Aber niemals vorauswissen was geschieht. Und auch niemals den Menschen zum neuen Menschen machen können, der nun also alles weiß und alles kann. Hayek hat vor dieser Anmaßung von Wissen gemahnt. Und das ist der Hintergrund, weshalb er dann auch besonders akribisch und deutlich herausgearbeitet hat, dass die Menschheit und die Menschen in ihrer gesamten Geschichte immer Regeln akzeptiert haben, die sich als erfolgreich zum Überleben erwiesen haben, die ihnen zwar gar nicht so arg geschmeckt haben und die sie auch meistens gar nicht mit dem Verstand eingesehen haben und deshalb als Taburegeln akzeptiert haben.

Rouvekia

Also, wieder zu "between instinct and reason".

Baader

Ja, es waren fast immer Taburegeln, die den Menschen gesagt haben, vor allem nicht, was sie tun sollen, sondern überwiegend was sie nicht tun dürfen. Mit dem Verstand selten nur einzusehen warum dem so ist. Man kann mit dem Verstand schwer erklären, warum eine Taburegel sagt, man darf Ältere nicht beleidigen, oder nicht ungebührlich behandeln, oder man soll höflicher gegenüber Frauen sein als gegenüber Männern.

Rouvekia

Aber entsorgt man die älteren Leute in Altersheimen. Eine Art Entsorgung.

Baader

Ja, das ist eine Art Entsorgung, weil eben die Familie kaputt ist. Zum Teil... Also überwiegend durch den Sozialstaat und durch das öffentliche Bildungswesen ist die Familie kaputt gemacht. Ja, und es ist eben eine Wahnvorstellung zu glauben, der Mensch könne nun mit dem Verstand nur solche Regeln akzeptieren, die er auch mit seinem Verstand als sinnvoll begreifen kann. Wenn er das tut, wird er fast alle Regeln ablehnen, weil es selten einen wirklich vernünftigen rationalen Grund dafür gibt. Man kann selten eine rationale Begründung dafür finden. Man kann alle möglichen Dinge... Ja, es ist eben besser, man verhält sich höflich als nicht. Aber eine rationale Begründung ist sehr schwer oder gar nicht möglich. Und deswegen haben sich eben in allen Kulturen solche Taburegeln herausgebildet, die die Menschen akzeptiert haben, und die sie über die Jahrhunderte und Jahrtausende fortgetragen haben. Und er hat davor gewarnt, diese Regeln zerstören zu wollen und sie durch rationale Verhaltensregeln ersetzen zu wollen. Das ist gesellschaftszerstörerisch.

Rouvekia

Hayek hat gesagt, dass, allein auf unsere Instinkte angewiesen, hätten wir es nicht weiter als zu einer primitiven Tierexistenz gebracht.

Baader

Ja, das ist richtig.

Rouvekia

Allein auf unseren Verstand angewiesen, noch nicht einmal dazu. Denn der Verstand ist erst das Produkt unserer Entwicklung.

Baader

Ja, richtig.

Rouvekia

Von Hayek hat auch gesagt, dass allein auf unsere Instinkte angewiesen, hätten wir es nicht weiter als zu einer primitiven Tierexistenz gebracht. Allein auf unseren Verstand angewiesen, noch nicht einmal dazu. Denn der Verstand ist erst das Produkt unserer Entwicklung.

Sie, Herr Bardach, haben schon 1991 gesagt, dass, ich zitiere, "die Bundesrepublik mit einem Nettowachstum der Ausrüstungsinvestitionen von einem halben Prozent in den späten 80er Jahren die geringste Rate aller Industrienationen aufweist und dass dies den konsequent geplanten und systematisierten Bankrott der Zukunft bedeutet.". Ende des Zitats. Die verkrampften Verzerrungen der Politik der Schröder, Eichel, Struck, Fischer & Co. Gesellschaft mit beschränkter Fähigkeit beweisen, dass sie imstande sind, sehr zutreffende Analysen zu schmieden. Also, wie sehen Sie unsere Zukunft? Ich meine nicht 2200.

Baader

Nein natürlich, klar, nächste Zukunft. Also, ich sehe eigentlich, leider muss ich es wiederum sagen, die Zukunft sehr trübe. Und zwar nicht nur, weil die Politik zu Reformen unfähig ist. Reformen sind sowieso... Also meine Definition von Reform ist: Reformen ist der faule Zauber, mit dem die Zauberlehrlinge vorgeben, den faulen Zauber, den sie vorher gezaubert hatten, wieder wegzaubern zu können. Reformen ist eine sehr zweifelhafte Geschichte, weil sie meistens in die falsche Richtung gehen. Und die Reform von Unsinn bleibt eben Unsinn, wenn man im falschen System bleibt. Ich sehe die Sache sehr trübe und zwar nicht nur, weil diese Politiker zu Reformen nicht fähig sind, zum Teil auch nicht willens, und zum Teil auch gar nicht können, weil sie sonst die Macht verlieren, sondern weil die Menschen sie auch nicht wollen. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass die Menschen, die Leute, die Bürger, nun drastische Reformen möchten und die Politiker sie nur nicht vollziehen. Also, einer meiner letzten großen Zeitungsartikel hatte die Überschrift "Echte Reformen will niemand". Man merkt es auch, bei den geringsten Änderungen die sich irgendwo ergeben, geht ein Aufschrei durchs Land. Das ist also ganz ähnlich wie im Sozialismus. Die Leute wollten einen anderen Sozialismus, aber nicht den Sozialismus abschaffen. Und so wollen die Bürger einen anderen Sozialstaat der besser funktioniert, aber sie wollen ihn nicht abschaffen. Sie wollen nicht, dass der Wohlfahrtsstaat und der Sozialstaat abgeschafft werden. Und deswegen werden die Systeme also bleiben. Und sogar, wenn es einmal dazu kommt, wenn also ein Wunder geschieht, wie beispielsweise in Neuseeland. Da ist es doch tatsächlich gelungen, da hat sich eine kleine politische clique um den damaligen Finanzminister glaube ich, Roger Douglas, zusammengetan und gesagt, wir machen jetzt eine schlagartige, revolutionsartige Reform. Eine drastische Reform. Dazu muss man wissen, Neuseeland war damals das Schlusslicht der OECD-Länder bezüglich allem. Sie hatten eine Arbeitslosigkeit von über 12%, eine Inflation von 15%, eine Staatsschuld von um die 80% des Sozialprodukts. Also, sie standen vor dem Bankrott. Und vor dem Bankrott wird also kurz vorher so mancher Politiker einsichtig. Diese Leute haben aber gesagt, wir machen jetzt keine Serie von Reformen, sondern wir machen den Big Bang mit einem einzigen Schlag. Sie haben also die Tarifautonomie der Gewerkschaften abgeschafft. Sie haben alle verstaatlichten Betriebe, inklusive Häfen und Eisenbahnen, alles privatisiert. Sie haben den Notenbankchef gezwungen, die Inflation zu beseitigen, indem sie gesagt haben, wenn die Inflation höher als 2% ist, wirst du entlassen. Und so weiter. Eine Fülle von Reformen. Das hat auch hingehauen. Innerhalb kürzester Zeit hat sich die Arbeitslosigkeit mehr als halbiert. Die Inflation war unter 2%. Die Auslandverschuldung des Landes war null. Die Staatsschuld war gedrittelt. Die vorherigen Haushaltsdefizite von um die 6% des Staatshaushalts haben sich gedreht, waren zu 2%, 3%, 4% Überschüssen geworden. Also alles in diesem Land war bestens. Die Leute waren auch zufrieden damit. Es gab nur sehr wenige Proteste. Sie haben gemerkt, das funktioniert, das tut uns gut. Neuseeland ist innerhalb kurzer Zeit, innerhalb von wenigen Jahren, an die Stelle drei der ökonomisch freiesten Länder und wettbewerbsfähigsten Länder der Welt katapultiert worden. Vom Schlusslicht ganz hoch. Und was ist geschehen? Die guten Onkels in der Politik kamen wieder aus ihrer Ecke und haben gesagt, "wenn ihr uns wählt, wir überschütten euch wieder mit sozialen Wohltaten". Und von da an wurde das Rad wieder zurückgedreht. Nicht ganz, Gott sei Dank ist noch einiges geblieben, sodass Neuseeland jetzt irgendwo, ich weiß nicht an welcher Stelle, aber irgendwo schon deutlich zurückgefallen, aber immer noch nicht im tiefen Keller, der Wettbewerbsfähigkeit der OECD-Länder gerutscht ist. Aber systematisch wird das zurückgedreht. Das heißt also, das ist ähnlich den guten Onkels in der Kinderschänder-Szene. Also die sagen, "schau mal, was ich für dich hab', wenn du mit mir gehst.". Nur ist es in der Politik nicht der Sexualtrieb, sondern der Machttrieb. "Schau mal was ich für euch hab', wenn ihr mich wählt.". Und die sind wieder aus ihrer Ecke gekommen. Und das Volk, da es eigentlich die gute Stallfütterung möchte und nicht die riskante Freiheit, wählt diese Leute wieder. Das heißt also, selbst wenn mal ein Wunder geschieht und eine große einschneidende Reform kommt, wird sie anschließend doch wieder zurückgedreht. Das war aber ein Sonderfall. Meistens wird nur Flickerlesarbeit gemacht, Stückwerk. Und die Perspektiven der Politik sind einfach nicht langfristig sondern kurzfristig. Schon bei der Einführung des kollektiven Rentensystems, des staatlichen Rentenwesens, in der Umlageform und nicht in der Kapitalakkumulationsform, nach dem Zweiten Weltkrieg, hat man Ökonomen befragt, "Wie lange hält dieses System?". Und die Ökonomen waren der Meinung maximal 30 Jahre. Und das hat den Politikern genügt. "Das reicht uns.".

Rouvekia

Streiflichter des Lebens. Eine Sendung von und mit Alexander Rouvekia, der Persönlichkeiten des musikalischen, literarischen und wissenschaftlichen Lebens von hier und anderswo vor sein Mikrofon bittet. Streiflichter des Lebens, eine Originalsendung, die von Radio RTL 103,5 FM am 1. und 2. Mittwoch jeden Monats von 9:02 bis 9:30 Uhr ausgestrahlt und am 3. bzw. 4. Mittwoch jeden Monats um dieselbe Zeit wiederholt wird.

Teil 6

Rouvekia

Streiflichter des Lebens. Eine Sendung von und mit Alexander Rouvekia, der Persönlichkeiten des musikalischen, literarischen und wissenschaftlichen Lebens von hier und anderswo vor sein Mikrofon bittet. Streiflichter des Lebens, eine Originalsendung, die von Radio RTL 103,5 FM am 1. und 2. Mittwoch jeden Monats von 9:02 bis 9:30 Uhr ausgestrahlt und am 3. bzw. 4. Mittwoch jeden Monats um dieselbe Zeit wiederholt wird.

Meine Damen und Herren, wie Sie schon wissen, der Gast unserer Sendungen im Juni und Juli ist Herr Roland Baader, derzeit bekanntester populärwissenschaftlicher Freiheitsdenker des deutschen Sprachraums. In dem heutigen Abschnitt unseres Gesprächs geht es um Reformen, Demokratie, Revolution und Moral.

Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland wird jetzt viel über die Rentenreformen geredet. Schemata und Systeme werden vorgeschlagen und genauso viel wird dagegen protestiert. Was halten Sie davon, Herr Baader?

Baader

Schon bei der Einführung des kollektiven Rentensystems, des staatlichen Rentenwesens, in der Umlageform und nicht in der Kapitalakkumulationsform, nach dem Zweiten Weltkrieg, hat man Ökonomen befragt, "Wie lange hält dieses System?". Und die Ökonomen waren der Meinung maximal 30 Jahre. Und das hat den Politikern genügt. "Das reicht uns.". Die langfristige Perspektive hat in der Politik keinen Platz. "Langfristig", sagt sich jeder, "bin ich sowieso nicht mehr in der Politik und in der Regierung. Es muss kurzfristig reichen. Ich muss die nächste Wahlperiode, und vielleicht noch eine, dranbleiben. Und dazu muss ich den Leuten panem et circenses versprechen. Ich muss ihnen alle Wohltaten dieser Welt versprechen. Und wenn ich weiß, dass ich damit das Land ruiniere, das spielt überhaupt keine Rolle. Ich will an die Macht und damit verteile ich meine und verspreche meine Geschenke.". Deswegen sehe ich für Reformen sehr schwarz, egal welche Partei dran kommt. Also die deutschen Parteien sind von oben bis unten, von rechts nach links, alles dieselben Sozialdemokraten. Die FDP ein klein bisschen besser in Richtung Freiheit, aber im Prinzip auch eine sozialdemokratische Partei. Und es spielt gar keine Rolle wer dran kommt. Der Karren geht weiter in den Dreck und wird an die Wand fahren. Und das Ende ist immer der Staatsbankrott, d.h. der millionenfache Bürgerbankrott. Staat kann eigentlich ja nicht Bankrott machen, sondern es sind die Bürger, die dann ihre Ersparnisse und ihre Vermögen verlieren. Und die Währungsreform. Und dann geht das Spielchen von vorne los. Die Frage ist nur, "wann?". Wie lange man es hinauszögern kann, mit welchen Tricks. Aber im Prinzip wird eine Besserung nicht eintreten. Und selbst in Situationen wie Japan, die seit 14 Jahren im Schlamassel sitzen, 14 Jahre lang Niedergang, mit einem gewaltigen Börsencrash, mit gewaltigen Zusammenbrüchen am Immobilienmarkt, lernt man nicht aus den Dingen, sondern setzt nach wie vor auf Staatsausgaben und auf Geld- und Fiskalpolitik. Da muss ich allerdings sagen, laden die Ökonomen einen Großteil der Schuld auf sich. Nicht nur Keynes und die Keynesianer haben diesen Unsinn verzapft, sondern auch die sogenannte Neoklassik. Die sind zwar expressis verbis gegen den Keynesianismus, aber sie lehren an den Universitäten Beschäftigungspolitik, Geldpolitik, Zinspolitik, Finanzpolitik, Steuerpolitik. Alles Dinge, die zwar nicht immer explizit aber implizit Handlungsanleitungen für die Politik sind. Ökonomen können sich wohl nicht wie die Klassisch-Liberalen des 18. und 19. Jahrhunderts damit bescheiden, Philosophen zu sein, die sich Gedanken machen über die Abläufe, über die ökonomischen Abläufe, sondern sie fühlen sich auch dazu berufen, die Welt mitzubewegen und die Welt zu verbessern. Eine bessere Reichtumspolitik, eine bessere Verteilung, eine bessere Konjunkturpolitik usw.

Rouvekia

"Besser" ist der schlimmste Feind von "gut".

Baader

Richtig, ja. Deswegen haben die Ökonomen einen Großteil der Schuld auf sich geladen, weil sie diesem Eindruck nicht entgegenwirken, weil sie dem Machbarkeitswahn der Politik nicht entgegentreten, weil sie dem sozialistischen Geld nicht entgegentreten. Das sogenannte Fiat Money. Also das staatliche, ungedeckte Papiergeld ist ein sozialistisches Geld, das den Blutkreislauf des Kapitalismus vergiftet. Und wenn Sie die Ökonomen fragen, dann wären 99% gegen diese Aussage, würden sagen, das stimmt nicht, das ist ein alter Hut. Und weltweit sind es nur noch 40 oder 50 Ökonomen der sogenannten österreichischen Schule, die unter anderem wie auch Hayek... Hayek hat sich für konkurrierendes Privatgeld eingesetzt, hat gesagt, wenn schon nicht die Goldwährung, dann wenigstens eine konkurrierende Privatwährung. Und diese Ökonomen der österreichischen Schule wissen um die Tatsache, und sagen sie auch, und lehren sie auch, der Unvereinbarkeit von sozialistischem Geld im kapitalistischen Körper einer Marktwirtschaft. Und solange dieses tiefste aller ökonomischen Probleme nicht angegangen wird, besteht auch keine Aussicht auf eine wirklich echte Besserung.

Rouvekia

Reden wir jetzt ein wenig über Moral. Auch so eine Fahne, die man schwingt, aber ohne sie ernst zu nehmen. Sie, Herr Baader, haben folgendes geschrieben, ich zitiere, "Moral setzt Verantwortlichkeit voraus. Verantwortung kann es nur bei Freiheit der Entscheidung, also in Freiheit, gehen. Freiheit der Entscheidung wiederum kann nur heißen individuelle Freiheit. Ergo, Kollektivmorale ist eine Chimäre. Man muss alle individuelle Moral zerstören, also die Menschen zwingen. Man muss nicht nur alle Moral sondern auch alle Freiheit ausmerzen.".

Baader

Wenn man zu dieser falschen Art von Moral kommen will, ja.

Rouvekia

Und zwangsläufig kommt man, weil sich die Demokraten unserer Zeit als Urenkel der französischen Revolution fühlen. Um die ganze Impostur zu entlarven, braucht man nur auf Maximilien de Robespierre zurückzukommen und in seiner Rede vom 17. Februar 1794 vor der Convention folgendes zu finden: "Der Terror ist nicht ein besonderes Prinzip der Demokratie, sondern er ergibt sich aus ihren Grundsätzen.". Nicht nur deshalb ist es für mich erstaunlich, dass sich Frankreich keine neue Nationalhymne beschafft. Die Marseillaise spricht über un sang impur, ein unreines Blut. Aber wegen so etwas wurde das Drittreich angeprangert. Das ist reinste Eugenik.

Baader

Ja, eigentlich schon. Nun sind Nationalhymnen so eine Sache für sich. Also, ein freiheitlicher Mensch muss Anti-Etatist sein. Nun sind leider die meisten Menschen Etatisten, also Verehrer des Staates, Staatsgläubige. Und das geht mit der Sprache los. Und mir graust also immer, wenn ich Nachrichten höre, "die Verhandlungen zwischen Frankreich und England haben ergeben..." oder "Deutschland hat sich geweigert, dies und das zu unterschreiben.". Das ist also ein derartiger Unsinn. Wenn sich irgendein Schröder oder Fischer geweigert hat, etwas zu unterschreiben, dann zu sagen, Deutschland habe sich geweigert. Das geht aber bis in die Kleinigkeiten. Also ich sehe schon nicht ein, Kaiserslautern hat gegen Stuttgart gewonnen im Fußball. Da haben elf Figuren, die vielleicht aus der Welt zusammengelesen sind, gegen andere elf Figuren gespielt. Das hat mit Stuttgart nichts zu tun und mit Kaiserslautern nichts zu tun. Also man muss da aufpassen, dass man die Sprache schon relativ sauber lässt. Und so ähnlich geht es mir bei den Nationalhymnen. Also ich bin nicht gegen ein gewisses Maß von Patriotismus, eine gewisse Anhänglichkeit an die eigene Sprache und den Kulturkreis. Man fühlt sich eben - das weiß man erst, wenn man mal in einem ganz fremden Land gewesen ist, wo man die Sitten und Gebräuche überhaupt nicht kennt und die Sprache nicht - wie man regelrecht heimkommt, wenn man ins eigene Land wieder hineinkommt. Ein gewisser Patriotismus gehört auch zum Menschen. Wobei der umso besser ist, je lokaler er wird. Also, jemand, der sein Dorf lieber hat als Gesamtdeutschland, ist mir auch lieber. Aber die Menschen neigen sehr schnell zu Nationalismus. Und Nationalismus ist eine gefährliche Kraft. Zumal wenn sie sich mit anderen Dingen mischt, wie beispielsweise Sozialismus, dann hat man recht schnell einen Nationalsozialismus, also eine ganz teuflische Kraft.

Rouvekia

Die Ungarn haben dieses Problem sehr einfach gelöst. Die ungarische Nationalhymne wurde 1844 von Erkel Ferenc komponiert mit Text von Kölcsey Ferenc. Besagter Text fängt an mit den Worten "Gott schütze die Ungarn". Nach der kommunistischen Machtergreifung hat man die Hymne nur noch gespielt. Der Text wurde wieder eingeführt, nachdem die Kommunisten ihre Titulatur geändert hatten. Übrigens, das Lied wurde die ganze Zeit über in der Kirche gesungen, also mit Text, und wird immer noch gesungen.

Baader

Also, das habe ich auch vor einigen Jahren in der Schweiz erlebt, als anlässlich einer Trauerfeier die Schweizer Nationalhymne in der Kirche gesungen wurde. Ich muss sagen, das hat mir sehr imponiert, weil in dieser Hymne auch, nun sagen wir mal, die christliche Gläubigkeit überwiegt über die patriotischen und nationalen Gefühle, sodass man sie tatsächlich auch in der Kirche singen kann.

Rouvekia

Ja, die Staatsgebiete der Schweiz schuldet viel an einen Heiligen, das ist ja Nikolaus von der Flühe. Ohne Flühe wäre es nicht dazu gekommen.

Erlauben Sie mir eine ketzerische Frage. Was halten Sie von dem modernen Pantheon, der unter der raison sociale Keynes und co. läuft?

Baader

Das ist ein großes Thema. Darf ich mal eine kleine Geschichte vorweg schicken? Ich habe vor drei, vier Monaten einen Vortrag gehalten in Zürich. Und nach dem Vortrag kam eine junge Dame zu mir und sagte Folgendes: "Herr Baader, ich studiere im fünften Semester Nationalökonomie, habe dieses Fach bisher als eine Unterfakultät der Mathematik erlebt. Wie ist es möglich, dass ich von allen Dingen, die Sie angesprochen haben in Ihrem Vortrag, und von allen Namen die Sie genannt haben, - dabei handelt es sich doch ganz offensichtlich um sehr große Köpfe, Mises, Hayek, Kirzner, Jasay, um nur wenige zu nennen -, noch niemals etwas gehört haben, noch niemals. Von den Thesen die Sie genannt haben auch nicht. Ich habe erst in Ihrem Vortrag festgestellt, wie interessant mein Fach sein kann, wie interessant die Nationalökonomie, die Ökonomie als Studium sein kann. Wie ist sowas möglich?". Und ich habe dann versucht, es ihr zu erklären. Ich hatte es vorhin schon mal kurz angedeutet. Es ist so, dass Keynes für die meisten Ökonomen, für die meisten modernen Ökonomen, inzwischen auch ein alter Hut ist. Aber sie verhalten sich nicht sehr viel anders, ihre Theorien sind nicht sehr viel anders. Die moderne Nationalökonomie, nicht nur der Keynesianismus, auch die Neoklassik, ist eine Wissenschaft die zur mathematischen Wissenschaft verkommen ist, die an die Machbarkeit des ökonomischen Geschehens glaubt, an die Steuerbarkeit, an die Lenkung durch Zinsen und Liquiditäten, Geldpolitik, Fiskalpolitik, und kommt damit den Politikern, den politischen Machteliten, weit entgegen. Das liegt zum Teil daran, dass fast alle Professoren Staatsangestellte sind und man beißt eben nicht die Hand, die einen füttert. Das liegt aber auch zum Teil an einem gewissen Zeitgeist des Machbarkeitsglaubens. Dass die Ökonomen einfach beweisen möchten, dass sie eine wichtige Rolle im Geschehen spielen, dass sie wichtige Handlungsanleitungen geben können an die Politik. Und es gibt zu wenig Ökonomen, die sich radikal vollständig dagegenstellen. Das sind also weltweit nur noch wenige. Es ist nur noch die sogenannte österreichische Schule, die das tut, zu der auch ihr französischer Landsmann Pascal Salin in Paris, ein genialer Kopf, gehört. Welche schlimmen Auswirkungen das hat... Man denkt ja gerade als Laie, als Außenstehender, "na was soll's, ob die die eine Theorie leeren oder die andere, so wichtig ist das ja alles nicht.". Das hat aber ganz verheerende Auswirkungen. Was man am Beispiel Japan gesehen hat, und immer noch sieht, und noch weiter sehen wird... Also dieses Land wird - mit großer Gewissheit kann ich das sagen - in nicht allzu langer Zeit in den Staatsbankrott steuern. Diese Tatsache, dass eine in meinen Augen völlig falsche Ökonomie gelehrt wird, auch von sogenannten liberalen Ökonomen, eine jedenfalls in wichtigen Teilen falsche Ökonomie, führt dazu, dass sich alle Menschen einer Nation einig sind in gewissen Verhaltensregeln des ökonomischen Geschehens. Beispielsweise, ich will Ihnen ein Beispiel nennen, alle Gewerkschaften, Unternehmer, Politiker, Bankiers, Bürger, alle ausnahmslos und ökonom, sind der Meinung, dass niedrige Zinsen gut seien für die Ökonomie, dass niedrige Zinsen die Wirtschaft ankurbeln und dass man deshalb gerade in schwierigen Zeiten, wenn das Wachstum mal nicht so richtig funktioniert, wie es sein soll, die Zinsen senken soll, um diese Maschine Ökonomie wieder anzuwerfen. Alle sind sich einig. Und genau das ist vollständig falsch. Das wussten die Klassiker noch, die klassischen Ökonomen. Die Klassiker haben noch erkannt und gelehrt, dass ein Volk durch Produktion reich wird und nicht durch Nachfrage. Die Tatsache, dass über die Nachfragetheorie der Beschäftigung, die die Gewerkschaften ja ununterbrochen verkünden und die Politiker ununterbrochen betreiben, dass da auch unter Ökonomen gestritten wird, zeigt das Ausmaß des Zerfalls, der hier stattgefunden hat. Der sehr genialische ökonomische Kopf Riechebecher, der inzwischen nach USA ausgewandert ist und hochbetagt ist, aber noch tätig, hat kürzlich gesagt, "unsere Zeit hat die schlechtesten Ökonomen seit 200 Jahren.". Und genau das ist richtig. Genau das hat er auch vor diesem Hintergrund gemeint. Auch hier wieder der Widerspruch. Die Leute, der einzelne Mensch, die einzelne Familie weiß, bevor sie Geld ausgeben kann, bevor sie konsumieren kann, müssen sie einer produktiven Tätigkeit nachgehen, um dieses Geld erst zu verdienen, und dann kann man es erst ausgeben. Die Produktion ist also immer das Erste und der Konsum ist das Ergebnis. Gesamtwirtschaftlich wird das auf den Kopf gestellt und alle reden nur von Nachfrage. "Die Nachfrage muss gesteigert werden. Die Nachfrage muss stabilisiert werden. Wir brauchen neue Liquiditätsspritzen. Wir brauchen niedrigere Zinsen. Der Staat muss Geld ausgeben, muss die Nachfrage stützen. Er muss selber als Nachfrager auftreten. Wenn eben die Nachfrage am Markt nachlässt, dann muss der Staat einspringen mit Staatsausgaben. Die Nachfrage, die Nachfrage, die Nachfrage.".

Rouvekia

Will man nicht vielleicht den Weg vorbereiten für eine Inflation?

Baader

Auch das wird natürlich früher oder später der Ausweg. In Japan greift man offen zu den Methoden der Reinflationierung. Nachdem man sich 14 Jahre lang im Sumpf befindet, greift man jetzt zu den elementarsten und offensten Regeln der Inflationierung, nämlich dem Aufkauf von Staatsanleihen durch die Notenbank. Das ist Geld gezaubert aus dem Nichts. Das machen alle Notenbanken sowieso. In USA geht man offen zur Inflationierung, zum Inflationswunsch, über. Die Notenbank, die FED, hat erklärt, dass ihr die bestehende Inflation zu niedrig ist. Also aus Angst vor der Deflation möchte man sich absichtlich in die Inflation stürzen, möchte die Inflation herbeiführen und glaubt sie, wenn sie zu schlimm wird, dann zügeln zu können. Und genau das wird nicht der Fall sein. Also es ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die USA in die Japan-Falle geraten. Und zwar durch eine Notenbankpolitik Alan Greenspans, die die japanischen Fehler exakt nachmacht. Also unter der Regie Greenspans - er ist ja schon lange dran - wurde bei jedem geringsten konjunkturellen Knick sofort die Gelddruckmaschine angeworfen, wurden riesige astronomische Summen an Geld in die Wirtschaft gepumpt, was natürlich, ganz selbstverständlich, wie in Japan auch, eine gewaltige Spekulationsblase aufgeblasen hat an den Aktienmärkten. Und die Tatsache, dass man strukturelle Veränderungen in der Wirtschaft, die es immer wieder, die es permanent gibt... Eine Volkswirtschaft ist einem ständigen strukturellen Wandel unterworfen. Bestimmte Branchen sterben aus, neue kommen. Schauen Sie in Deutschland, hier ist stillschweigend ausgestorben tausende von Zigarrenfabriken. Danach hunderte von Webereien. Danach hunderte von Begleitungsproduktionsfabriken. Das ist natürlich für den Einzelnen schmerzlich, und manchmal auch für eine Region, oder für ein Gebiet schmerzlich, aber insgesamt für die gesamte Volkswirtschaft eine ganz normale und gesunde Entwicklung. Die Struktur der Bedürfnisse und die Struktur der Produktion ändern sich. Es tritt der strukturelle Wandel ein. Das, was der Ökonom Schumpeter die kreative Zerstörung genannt hat, das läuft in einem permanenten Prozess in einer Volkswirtschaft. Und da gibt es dann auch mal kleine Einbrüche, da gibt es durchaus mal eine Zeit, in der eine geringe Deflation auftreten kann. Unter der Herrschaft der Goldwährung hat es 150 Jahre lang eine mäßige Deflation gegeben. Fast jedes Jahr zwischen 0,5% und 1,5%. Das war eine durchaus gute Sache. Dadurch wurde nämlich die Kaufkraft der Leute wesentlich gestärkt, weil eben die Güter permanent billiger wurden. Die letzte Depression, die man zugelassen hat, überhaupt staatlicherseits, die war in den 20ern - jetzt weiß ich nicht mehr, war es 1921 oder war es 1916, um die Zeit, ich meine in den 20er Jahren - in den USA. Diese Depression hat nur ein einziges Jahr gedauert, zwölf Monate, dann war sie ausgestanden. Weil eben die Politik noch nicht eingegriffen hat. Und weil man noch die Goldwährung hatte. Es gab keinen Anlass. Es gab auch noch keine Notenbank, die da etwas hätte anrichten können. Und seither wird jede kleinste Delle in der Konjunktur, jede kleine strukturelle Verwerfung, mit der Notenpresse beantwortet. Auf der einen Seite wird der Arbeitsmarkt beispielsweise von den Gesetzen, von der Tarifautonomie, von den Gewerkschaften und vom Arbeitsrecht gefesselt und wenn die Arbeitslosigkeit steigt, wird das mit Notenbank, mit Geld glatt gestrichen. Man fordert also niedrigere Zinsen, man fordert eine reichlichere Geldversorgung, man sagt, die Pferde sollen wieder saufen, die Kreditvolumina müssen steigen. Das heißt, die Geldmengen entfernen sich permanent seit Jahrzehnten in der ganzen westlichen Welt von der Gütermenge. Also wenn die Gütermenge jährlich im Durchschnitt um 3% oder 4% steigt, dann steigen die Geldmengen um 8%, 9%, 10%, 12%, 15%. Dadurch kommt es zu riesigen Spekulationsblasen. Dann wieder zu riesigen Crashs, die wiederum von der Notenbank ausgeglichen werden sollen mit noch mehr Liquidität, noch mehr Geld. Und das ist der permanente ständige Weg in Richtung Staatsbankrott.

Rouvekia

Streiflichter des Lebens. Eine Sendung von und mit Alexander Rouvekia, der Persönlichkeiten des musikalischen, literarischen und wissenschaftlichen Lebens von hier und anderswo vor sein Mikrofon bittet. Streiflichter des Lebens, eine Originalsendung, die von Radio RTL 103,5 FM am 1. und 2. Mittwoch jeden Monats von 9:02 bis 9:30 Uhr ausgestrahlt und am 3. bzw. 4. Mittwoch jeden Monats um dieselbe Zeit wiederholt wird.