Open Data und Selbstorganisation : von den Public Space Invaders zur Berliner Gartenkarte
Aktionsforschung
Selbstorganisation
Open Everything
Linked Geodata
Datenvisualisierung
Public Space Invaders
Berliner Gartenkarte
urbanistische Interventionen
bottom-up grassroots mapping
Der vorliegende Beitrag widmet sich dem Einsatz von freier (räumlicher) Softare im Feld kollaborativer Aktionsforschung. Anhand von Programmen zu urbanistischen Interventionen und bottom-up grassroots mapping wird beispielhaft gezeigt, wie sich dergleichen Initiativen durch die Verwendung von fortgeschrittenen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) organisieren und informieren.
Zwei Forschungsvorhaben, an denen der Autor beteiligt ist, sollen als Impulsgeber für die Argumentation dienen. Im Rahmen von Public Space Invaders [1] wird der Selbstorganisationsprozess von temporären architektonischen Interventionen untersucht. Die Berliner Gartenkarte [2] stellt die Verteilung von Gemeinschaftsgärten und Projekten der Urbanen Landwirtschaft in Berlin dar.
Wir bewegen uns in der Anwendung von GFLOSS (geospatial free licenced open source software) zwischen vielfältigen Polen, darunter relevant für die genannten Forschungen: Topologien, Datenvisualisierung, Geolokalisierung, Linked Data, Volunteered Geographic Information und kritische kollektive Kartographie.
Im weitesten Sinne wird der Nexus von Raum, Zeit, Gesellschaft und Wissen beforscht. Dies dient dem Anspruch die Forschungsdaten wo möglich mit semantischen Ontologien zu verknüpfen, welche die kollaborativen Prozesse beschreiben können. Fragen der rechtlichen Grundlagen (Stichwort Lizenzierung) und der Arbeitssoziologie (Selbstorganisation) werden notwendigenfalls mit angeschnitten.
Betrachten wir einmal stark verkürzt und vereinfacht die Politische Ökonomie im Feld der städtischen, zivilgesellschaftlichen Selbstorganisation: Zumeist prekär beschäftigte Aktivisten spenden für nachhaltige Ideale an städtische Initiativen und Vereine ihre Arbeitskraft. Kontakte, Referenzen und nichtformelle Qualifikationen sind ihr Lohn.
Im Kontext der Stadtpolitik haben sie aber auch mit bezahlten Professionellen zu tun, welche von Interessenverbänden, Lobbygruppen, der öffentlichen Hand oder privaten Unternehmen angestellt werden. Netzwerke unterschliedlicher, stark spezialisierter Initiativen mit flachen Entscheidungsstrukturen treffen auf institutionalisierte Organisationen, welche häufig nach historisch gewachsenen Hierarchien strukturiert sind.
Where ‘networked organizations’ rely on vertical structures, the form of ‘organized networks’ is a non–hierarchical, horizontal pattern where decision making and activity processes are to be distributed through the network / collective. Not denying the possibility of locally emerging, hierarchical tree structures, a network pattern is similar to the intertextual connections within the Hypertext. [3]
Wie können selbstverwaltete Initiativen nun trotz des enormen Ressourcenunterschieds den öffentlichen und sozialen Raum gestalten?
Diese Frage stellt sich die Aktionsforschung Public Space Invaders. Mit Hilfe von Medientheorie über das Wirken von Kommunikationsnetzwerken und Ideen über nichtformelle Wissensvermittlung wird die Visualisierung des Organisationsprozesses dezentral entwickelter Projekte angestrebt. Grundpfeiler dessen ist die Theorie der Organized Networks von Ned Rossiter [4].
Am Beispiel der jungen, im öffentlichen Raum intervenierenden, architektonischen Kollektive Europas wird deren Bewegung im Raum und damit verbundener Erfahrungsaustausch auch über die Zeit nachgezeichnet. Ein auf Open Source Software basierender, selbstentwickelter Prototyp des Werkzeugs stellt eine zeitnahe Veröffentlichung der Erkenntnisse (Open Access) sicher. Im Sinne einer dem Open Data Ansatz nicht unähnlichen Selbsttransparenz der Akteure führt eine Aggregierung ihrer dann geöffneten Daten zu einer interaktiven Visualisierung zunächst der Topologie der Akteursnetzwerke, schließlich aber auch der Entwicklung der vielgestaltigen Prozesse die einem Projekt angehören. Die Inspiration zu dieser Visualisierung stammt von Visualisierungen der Arbeitsweise mit Git (Blödmann) [5, 6]. Im Idealfall können Empfehlungen abgegeben werden, wie Selbstorganisation in Zeiten von Open Everything der Allgemeinheit dienlich sein kann.
Ganz deutlich wird diese Möglichkeit im Hinblick auf die Erfolge, welche Gemeinschaftsgärten und Projekte der urbanen Landwirtschaft in den letzten Jahren für sich verbuchen konnten. Auch sie Interventionen im öffentlichen Raum, sprießen sie allerorten aus dem Boden und vereinen integrative, nachbarschaftliche, ernährungssouveräne und wissensvermittelnde Zwecke auf sich.
Gemeinsam mit dem Runden Tisch Urban Gardening in Berlin untersucht und publiziert die zweite Aktionsforschung Berliner Gartenkarte die räumliche Verteilung der Gärten und Projekte in Berlin. Durch ansprechende Veröffentlichungen in Print und Web, d.h. analoge und digitale Kartenerstellung mit GIS (Geographischen Informationssystemen) und GFLOSS, wird versucht der grundliegenden Idee Öffentlichkeit zu verleihen.
Genutzt werden hierfür die unter Creative Commons lizenzierten Daten einer öffentlichen Plattform zur Sammlung und Weitergabe von Wissen, Erfahrungen und Projekten der Urbanen Landwirtschaft, dem Stadtacker [7]. Dort können angemeldete Benutzer Informationen zu Gärten hinterlegen und auf einer Karte lokalisieren. Insofern haben wir ein Werkzeug der kollektiven kritischen Kartierung vor uns, welches VGI (Volunteered Geographic Information) ansammelt und visualisiert.
In verschiedenen Arbeitsabläufen werden die Daten bisher manuell mit QGIS und anderen (FOSS) Werkzeugen für die Veröffentlichung der Karten aufbereitet. Als Zwischenprodukte stehen ein erster Prototyp einer interaktive Karte [2] und die Berliner Gartenkarte in DIN A0 [8] zur allgemeinen Verfügung.
Es folgen zwei weitere Printkarten für den Abschlussbericht des den Runden Tisch initiierenden Forschungsprojektes. Ebenso wird an einer möglichen Weiterentwicklung der Webkarte im Hinblick auf eine gemeinsame Darstellung ähnlicher VGI Quellen per GeoRSS o.ä. in einer gemeinsamen Karte gearbeitet. Mundraub [9], Grünanteil [10] oder der Leerstandsmelder [11] sind als prominente Beispiele möglicher Datenquellen zu nennen.
“Das ist Wissenschaft. Es sieht nur nicht danach aus.” [12]
Eine Großzahl der heutigen Arbeitsprozesse findet digital statt. Jegliche Nutzer von Computern und Suchmaschinen sind, oft unbewusst, Data Miner. Sie organisieren und veröffentlichen Daten. Ein Trend hin zu “Digital first!” Kollaborationsmodellen ist in unser aller Alltag erkennbar. Big Data erreicht die Massen.
Semantische Technologien helfen dabei diese Datenberge sinnstiftend zu verknüpfen. An die Stelle der monolithischen Theoriegebäude der Moderne treten lokal implementierte Ontologien, welche für den jeweiligen Anwendungsfall angepasst sind.
Instead of continuing the millennia old search for the universal ontology, different types of ontologies have been proposed in computer science. [.] [C]lassification of ontologies [is] based on their granularity and [their] thematic scope [differs] into top-level, domain, task, and application ontologies ... [13]
Wenn geographische Andwendungen weiterhin interoperabel auf OGC (Open Geospatial Consortium) Standards basieren und sich semantische Schemata wie GeoSPARQL per JSON-LD (JavaScript Object Notation - Linked Data) nutzen lassen, um Geodaten zugänglich und frei verfügbar für die Verknüpfung mit anderen Schemata bereitzuhalten, können unter Ausnutzung der Eingängigkeit von Karten kraftvolle Dienste für die Öffentlichkeit entstehen. Betrachten wir die Geschichte der Verschriftlichung und Institutionalisierung sozialer Codes durch zeitspezifische Veröffentlichungstechniken wie Papier, Buchdruck oder das Verlagswesen eingedenk den “neuen” Technologien, gestatten Experimente wie das Föderierte Wiki [14] oder Substance [15] einen beeindruckenden Ausblick auf noch kommende Metaphern für neue Organisations-, Kollaborations- und Verständigungsweisen.
Open Source Software unterstützt den Menschen dabei sich selbst zu verstehen, denn sie sorgt durch die eng mit ihr verknüpften Praktiken auch dafür, dass sich das Wissen über das Wissen selbst verändert. Mit der räumlichen Metapher in Karten haben wir außerdem eines der mächtigsten Werkzeuge in der Hand, um die Kluft zwischen dem virtuellen und physischen Raum zu überbrücken.
[1] http://publicspaceinvaders.org
[2] http://gartenkarte.de
[3] 2012. Richter, J.; Demarest, A.; Minod, R.: Public Space Invaders. a collaborative research on collective urbanism. Paris. Berlin. http://publicspaceinvaders.org/2012/igc-article
[4] 2006. Rossiter , N.: Organized Networks. Media Theory, Creative Labour, New Institutions. Amsterdam. http://nedrossiter.org
[5] http://nvie.com/posts/a-successful-git-branching-model/
[6] https://github.com/twbs/bootstrap/network
[7] http://stadtacker.net
[8] http://blog.gartenkarte.de/2013/berliner-gartenkarte-revisited
[9] http://mundraub.org
[10] http://grünanteil.net
[11] http://leerstandsmelder.de
[12] Bernd Hilberer. Kartograph, Freie Universität Berlin. 28. September 2013, Allmende-Kontor Gemeinschaftsgarten, Berlin.
[13] 2012. Hitzler, P., Janowicz, K., Berg-Cross, G., Obrst, L., Sheth, A., Finin, T., Cruz, I. F.: Semantic Aspects of EarthCube. http://corescholar.libraries.wright.edu/knoesis/181
[14] http://fed.wiki.org
[15] http://substance.io