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September 15, 2011 16:41
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Kafka test file
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<title>Kafka</title> | |
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<div><p>Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas | |
Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. Die Köchin der | |
Frau Grubach, seiner Zimmervermieterin, die ihm jeden Tag gegen | |
acht Uhr früh das Frühstück brachte, kam diesmal nicht. Das war | |
noch niemals geschehen. K. wartete noch ein Weilchen, sah von | |
seinem Kopfkissen aus die alte Frau, die ihm gegenüber wohnte und | |
die ihn mit einer an ihr ganz ungewöhnlichen Neugierde beobachtete, | |
dann aber, gleichzeitig befremdet und hungrig, läutete er. Sofort | |
klopfte es und ein Mann, den er in dieser Wohnung noch niemals | |
gesehen hatte, trat ein. Er war schlank und doch fest gebaut, er | |
trug ein anliegendes schwarzes Kleid, das, ähnlich den | |
Reiseanzügen, mit verschiedenen Falten, Taschen, Schnallen, Knöpfen | |
und einem Gürtel versehen war und infolgedessen, ohne daß man sich | |
darüber klar wurde, wozu es dienen sollte, besonders praktisch | |
erschien. »Wer sind Sie?« fragte K. und saß gleich halb aufrecht im | |
Bett. Der Mann aber ging über die Frage hinweg, als müsse man seine | |
Erscheinung hinnehmen, und sagte bloß seinerseits: »Sie haben | |
geläutet?« »Anna soll mir das Frühstück bringen«, sagte K. und | |
versuchte, zunächst stillschweigend, durch Aufmerksamkeit und | |
Überlegung festzustellen, wer der Mann eigentlich war. Aber dieser | |
setzte sich nicht allzulange seinen Blicken aus, sondern wandte | |
sich zur Tür, die er ein wenig öffnete, um jemandem, der offenbar | |
knapp hinter der Tür stand, zu sagen: »Er will, daß Anna ihm das | |
Frühstück bringt.« Ein kleines Gelächter im Nebenzimmer folgte, es | |
war nach dem Klang nicht sicher, ob nicht mehrere Personen daran | |
beteiligt waren. Obwohl der fremde Mann dadurch nichts erfahren | |
haben konnte, was er nicht schon früher gewußt hätte, sagte er nun | |
doch zu K. im Tone einer Meldung: »Es ist unmöglich.« »Das wäre | |
neu«, sagte K., sprang aus dem Bett und zog rasch seine Hosen an. | |
»Ich will doch sehen, was für Leute im Nebenzimmer sind und wie | |
Frau Grubach diese Störung mir gegenüber verantworten wird.« Es | |
fiel ihm zwar gleich ein, daß er das nicht hätte laut sagen müssen | |
und daß er dadurch gewissermaßen ein Beaufsichtigungsrecht des | |
Fremden anerkannte, aber es schien ihm jetzt nicht wichtig. | |
Immerhin faßte es der Fremde so auf, denn er sagte: »Wollen Sie | |
nicht lieber hierbleiben?« »Ich will weder hierbleiben, noch von | |
Ihnen angesprochen werden, solange Sie sich mir nicht vorstellen.« | |
»Es war gut gemeint«, sagte der Fremde und öffnete nun freiwillig | |
die Tür. Im Nebenzimmer, in das K. langsamer eintrat, als er | |
wollte, sah es auf den ersten Blick fast genau so aus wie am Abend | |
vorher. Es war das Wohnzimmer der Frau Grubach, vielleicht war in | |
diesem mit Möbeln, Decken, Porzellan und Photographien überfüllten | |
Zimmer heute ein wenig mehr Raum als sonst, man erkannte das nicht | |
gleich, um so weniger, als die Hauptveränderung in der Anwesenheit | |
eines Mannes bestand, der beim offenen Fenster mit einem Buch saß, | |
von dem er jetzt aufblickte. »Sie hätten in Ihrem Zimmer bleiben | |
sollen! Hat es Ihnen denn Franz nicht gesagt?« »Ja, was wollen Sie | |
denn?« sagte K. und sah von der neuen Bekanntschaft zu dem mit | |
Franz Benannten, der in der Tür stehengeblieben war, und dann | |
wieder zurück. Durch das offene Fenster erblickte man wieder die | |
alte Frau, die mit wahrhaft greisenhafter Neugierde zu dem jetzt | |
gegenüberliegenden Fenster getreten war, um auch weiterhin alles zu | |
sehen. »Ich will doch Frau Grubach -«, sagte K., machte eine | |
Bewegung, als reiße er sich von den zwei Männern los, die aber weit | |
von ihm entfernt standen, und wollte weitergehen. »Nein«, sagte der | |
Mann beim Fenster, warf das Buch auf ein Tischchen und stand auf. | |
»Sie dürfen nicht weggehen, Sie sind ja verhaftet.« »Es sieht so | |
aus«, sagte K. »Und warum denn?« fragte er dann. »Wir sind nicht | |
dazu bestellt, Ihnen das zu sagen. Gehen Sie in Ihr Zimmer und | |
warten Sie. Das Verfahren ist nun einmal eingeleitet, und Sie | |
werden alles zur richtigen Zeit erfahren. Ich gehe über meinen | |
Auftrag hinaus, wenn ich Ihnen so freundschaftlich zurede. Aber ich | |
hoffe, es hört es niemand sonst als Franz, und der ist selbst gegen | |
alle Vorschrift freundlich zu Ihnen. Wenn Sie auch weiterhin so | |
viel Glück haben wie bei der Bestimmung Ihrer Wächter, dann können | |
Sie zuversichtlich sein.« K. wollte sich setzen, aber nun sah er, | |
daß im ganzen Zimmer keine Sitzgelegenheit war, außer dem Sessel | |
beim Fenster. »Sie werden noch einsehen, wie wahr das alles ist«, | |
sagte Franz und ging gleichzeitig mit dem andern Mann auf ihn zu. | |
Besonders der letztere überragte K. bedeutend und klopfte ihm | |
öfters auf die Schulter. Beide prüften K.s Nachthemd und sagten, | |
daß er jetzt ein viel schlechteres Hemd werde anziehen müssen, daß | |
sie aber dieses Hemd wie auch seine übrige Wäsche aufbewahren und, | |
wenn seine Sache günstig ausfallen sollte, ihm wieder zurückgeben | |
würden. »Es ist besser, Sie geben die Sachen uns als ins Depot«, | |
sagten sie, »denn im Depot kommen öfters Unterschleife vor und | |
außerdem verkauft man dort alle Sachen nach einer gewissen Zeit, | |
ohne Rücksicht, ob das betreffende Verfahren zu Ende ist oder | |
nicht. Und wie lange dauern doch derartige Prozesse, besonders in | |
letzter Zeit! Sie bekämen dann schließlich allerdings vom Depot den | |
Erlös, aber dieser Erlös ist erstens an sich schon gering, denn | |
beim Verkauf entscheidet nicht die Höhe des Angebotes, sondern die | |
Höhe der Bestechung, und weiter verringern sich solche Erlöse | |
erfahrungsgemäß, wenn sie von Hand zu Hand und von Jahr zu Jahr | |
weitergegeben werden.« K. achtete auf diese Reden kaum, das | |
Verfügungsrecht über seine Sachen, das er vielleicht noch besaß, | |
schätzte er nicht hoch ein, viel wichtiger war es ihm, Klarheit | |
über seine Lage zu bekommen; in Gegenwart dieser Leute konnte er | |
aber nicht einmal nachdenken, immer wieder stieß der Bauch des | |
zweiten Wächters - es konnten ja nur Wächter sein - förmlich | |
freundschaftlich an ihn, sah er aber auf, dann erblickte er ein zu | |
diesem dicken Körper gar nicht passendes trockenes, knochiges | |
Gesicht mit starker, seitlich gedrehter Nase, das sich über ihn | |
hinweg mit dem anderen Wächter verständigte. Was waren denn das für | |
Menschen? Wovon sprachen sie? Welcher Behörde gehörten sie an? K. | |
lebte doch in einem Rechtsstaat, überall herrschte Friede, alle | |
Gesetze bestanden aufrecht, wer wagte, ihn in seiner Wohnung zu | |
überfallen? Er neigte stets dazu, alles möglichst leicht zu nehmen, | |
das Schlimmste erst beim Eintritt des Schlimmsten zu glauben, keine | |
Vorsorge für die Zukunft zu treffen, selbst wenn alles drohte. Hier | |
schien ihm das aber nicht richtig, man konnte zwar das Ganze als | |
Spaß ansehen, als einen groben Spaß, den ihm aus unbekannten | |
Gründen, vielleicht weil heute sein dreißigster Geburtstag war, die | |
Kollegen in der Bank veranstaltet hatten, es war natürlich möglich, | |
vielleicht brauchte er nur auf irgendeine Weise den Wächtern ins | |
Gesicht zu lachen, und sie würden mitlachen, vielleicht waren es | |
Dienstmänner von der Straßenecke, sie sahen ihnen nicht unähnlich - | |
trotzdem war er diesmal, förmlich schon seit dem ersten Anblick des | |
Wächters Franz, entschlossen, nicht den geringsten Vorteil, den er | |
vielleicht gegenüber diesen Leuten besaß, aus der Hand zu geben. | |
Darin, daß man später sagen würde, er habe keinen Spaß verstanden, | |
sah K. eine ganz geringe Gefahr, wohl aber erinnerte er sich - ohne | |
daß es sonst seine Gewohnheit gewesen wäre, aus Erfahrungen zu | |
lernen - an einige, an sich unbedeutende Fälle, in denen er zum | |
Unterschied von seinen Freunden mit Bewußtsein, ohne das geringste | |
Gefühl für die möglichen Folgen, sich unvorsichtig benommen hatte | |
und dafür durch das Ergebnis gestraft worden war. Es sollte nicht | |
wieder geschehen, zumindest nicht diesmal; war es eine Komödie, so | |
wollte er mitspielen. Noch war er frei. »Erlauben Sie«, sagte er und ging eilig | |
zwischen den Wächtern durch in sein Zimmer. »Er scheint vernünftig | |
zu sein«, hörte er hinter sich sagen. In seinem Zimmer riß er | |
gleich die Schubladen des Schreibtischs auf, es lag dort alles in | |
großer Ordnung, aber gerade die Legitimationspapiere, die er | |
suchte, konnte er in der Aufregung nicht gleich finden. Schließlich | |
fand er seine Radfahrlegitimation und wollte schon mit ihr zu den | |
Wächtern gehen, dann aber schien ihm das Papier zu geringfügig und | |
er suchte weiter, bis er den Geburtsschein fand. Als er wieder in | |
das Nebenzimmer zurückkam, öffnete sich gerade die | |
gegenüberliegende Tür und Frau Grubach wollte dort eintreten. Man | |
sah sie nur einen Augenblick, denn kaum hatte sie K. erkannt, als | |
sie offenbar verlegen wurde, um Verzeihung bat, verschwand und | |
äußerst vorsichtig die Tür schloß. »Kommen Sie doch herein«, hatte | |
K. gerade noch sagen können. Nun aber stand er mit seinen Papieren | |
in der Mitte des Zimmers, sah noch auf die Tür hin, die sich nicht | |
wieder öffnete, und wurde erst durch einen Anruf der Wächter | |
aufgeschreckt, die bei dem Tischchen am offenen Fenster saßen und, | |
wie K. jetzt erkannte, sein Frühstück verzehrten. »Warum ist sie | |
nicht eingetreten?« fragte er. »Sie darf nicht«, sagte der große | |
Wächter. »Sie sind doch verhaftet.« »Wie kann ich denn verhaftet | |
sein? Und gar auf diese Weise?« »Nun fangen Sie also wieder an«, | |
sagte der Wächter und tauchte ein Butterbrot ins Honigfäßchen. | |
»Solche Fragen beantworten wir nicht.« »Sie werden sie beantworten | |
müssen«, sagte K. »Hier sind meine Legitimationspapiere, zeigen Sie | |
mir jetzt die Ihrigen und vor allem den Verhaftbefehl.« »Du lieber | |
Himmel!« sagte der Wächter. »Daß Sie sich in Ihre Lage nicht fügen | |
können und daß Sie es darauf angelegt zu haben scheinen, uns, die | |
wir Ihnen jetzt wahrscheinlich von allen Ihren Mitmenschen am | |
nächsten stehen, nutzlos zu reizen!« »Es ist so, glauben Sie es | |
doch«, sagte Franz, führte die Kaffeetasse, die er in der Hand | |
hielt, nicht zum Mund, sondern sah K. mit einem langen, | |
wahrscheinlich bedeutungsvollen, aber unverständlichen Blick an. K. | |
ließ sich, ohne es zu wollen, in ein Zwiegespräch der Blicke mit | |
Franz ein, schlug dann aber doch auf seine Papiere und sagte: »Hier | |
sind meine Legitimationspapiere.« »Was kümmern uns denn die?« rief | |
nun schon der große Wächter. »Sie führen sich ärger auf als ein | |
Kind. Was wollen Sie denn? Wollen Sie Ihren großen, verfluchten | |
Prozeß dadurch zu einem raschen Ende bringen, daß Sie mit uns, den | |
Wächtern, über Legitimation und Verhaftbefehl diskutieren? Wir sind | |
niedrige Angestellte, die sich in einem Legitimationspapier kaum | |
auskennen und die mit Ihrer Sache nichts anderes zu tun haben, als | |
daß sie zehn Stunden täglich bei Ihnen Wache halten und dafür | |
bezahlt werden. Das ist alles, was wir sind, trotzdem aber sind wir | |
fähig, einzusehen, daß die hohen Behörden, in deren Dienst wir | |
stehen, ehe sie eine solche Verhaftung verfügen, sich sehr genau | |
über die Gründe der Verhaftung und die Person des Verhafteten | |
unterrichten. Es gibt darin keinen Irrtum. Unsere Behörde, soweit | |
ich sie kenne, und ich kenne nur die niedrigsten Grade, sucht doch | |
nicht etwa die Schuld in der Bevölkerung, sondern wird, wie es im | |
Gesetz heißt, von der Schuld angezogen und muß uns Wächter | |
ausschicken. Das ist Gesetz. Wo gäbe es da einen Irrtum?« »Dieses | |
Gesetz kenne ich nicht«, sagte K. »Desto schlimmer für Sie«, sagte | |
der Wächter. »Es besteht wohl auch nur in Ihren Köpfen«, sagte K., | |
er wollte sich irgendwie in die Gedanken der Wächter einschleichen, | |
sie zu seinen Gunsten wenden oder sich dort einbürgern. Aber der | |
Wächter sagte nur abweisend: »Sie werden es zu fühlen bekommen.« | |
Franz mischte sich ein und sagte: »Sieh, Willem, er gibt zu, er | |
kenne das Gesetz nicht, und behauptet gleichzeitig, schuldlos zu | |
sein.« »Du hast ganz recht, aber ihm kann man nichts begreiflich | |
machen«, sagte der andere. K. antwortete nichts mehr; muß ich, | |
dachte er, durch das Geschwätz dieser niedrigsten Organe - sie | |
geben selbst zu, es zu sein - mich noch mehr verwirren lassen? Sie | |
reden doch jedenfalls von Dingen, die sie gar nicht verstehen. Ihre | |
Sicherheit ist nur durch ihre Dummheit möglich. Ein paar Worte, die | |
ich mit einem mir ebenbürtigen Menschen sprechen werde, werden | |
alles unvergleichlich klarer machen als die längsten Reden mit | |
diesen. Er ging einige Male in dem freien Raum des Zimmers auf und | |
ab, drüben sah er die alte Frau, die einen noch viel älteren Greis | |
zum Fenster gezerrt hatte, den sie umschlungen hielt. K. mußte | |
dieser Schaustellung ein Ende machen: »Führen Sie mich zu Ihrem | |
Vorgesetzten«, sagte er. »Wenn er es wünscht; nicht früher«, sagte | |
der Wächter, der Willem genannt worden war. »Und nun rate ich | |
Ihnen«, fügte er hinzu, »in Ihr Zimmer zu gehen, sich ruhig zu | |
verhalten und darauf zu warten, was über Sie verfügt werden wird. | |
Wir raten Ihnen, zerstreuen Sie sich nicht durch nutzlose Gedanken, | |
sondern sammeln Sie sich, es werden große Anforderungen an Sie | |
gestellt werden. Sie haben uns nicht so behandelt, wie es unser | |
Entgegenkommen verdient hätte, Sie haben vergessen, daß wir, mögen | |
wir auch sein was immer, zumindest jetzt Ihnen gegenüber freie | |
Männer sind, das ist kein kleines Übergewicht. Trotzdem sind wir | |
bereit, falls Sie Geld haben, Ihnen ein kleines Frühstück aus dem | |
Kaffeehaus drüben zu bringen.«</p> | |
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