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@salim-b
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Kapitalismus und Digitalisierung (beissen sich letztlich)

Kapitalismus und Digitalisierung (beissen sich letztlich)

(Oder: Warum die glp ideologisch auf dem Holzweg ist. 😬)

  • Alles, was digitalisierbar ist, ist von Natur aus nicht mehr knapp, da die Grenzkosten zur Vervielfältigung von diskreter Information (Einsen und Nullen) gegen null tendieren.

  • Die allermeisten Informationen sind digitalisierbar, also überführbar in diskrete Werte. Keine Ahnung, wie das in der Quantenmechanik genau aussieht... meine Intuition sagt eher nein... falls dort aber auch, dann wohl alle.

  • Kapitalismus ist nur unter Knappheit (halbwegs) effizient (in Bezug auf Ressourcenallokation). Kapitalismus ist unter gewissen Bedingungen unglaublich gut darin, die Kosten knapper Güter zu senken und für möglichst viele erschwinglich zu machen (Massenproduktion). Hingegen ist er völlig untauglich in einer digitalen Welt, in der zuerst einmal keine Knappheit der Güter vorherrscht.

    Die "Lösung" des Kapitalismus, um sich gewissermassen weiter am Leben zu erhalten, lautet künstliche Verknappung, was im Bereich der Luxusgüter schon lange Anwendung findet. In der Digitalwirtschaft ist ein offensichtliches Paradebeispiel solcher künstlicher Verknappung Digital Rights Management (DRM). Weitaus wirkmächtiger ist jedoch die Verknappung von Wissen über das (bescheuerte) Konzept des geistigen Eigentums.

    Hierbei zentral: Der "Konsum", sprich Gebrauch von Immaterialgütern (Wissen, Ideen, im Endeffekt Information) ist perfekt nicht-rivalisierend – im Gegensatz zu den meisten herkömmlichen Commons, die auch übernutzt werden können.

    Zur einfachen Illustration der Nicht-Rivalität wird oft das Gedankenexperiment des Äpfel-Ideen-Vergleichs bemüht (kenne leider die Quelle nicht):

    • a) Wenn ich einen Apfel habe und du hast einen anderen Apfel und wir tauschen – wie viele Äpfel hat dann jeder?
    • b) Wenn ich eine Idee habe und du hast eine andere Idee und wir tauschen – wie viele Ideen hat dann jeder?
  • Copyleft ist die stärkste mir bekannte "Waffe" gegen die künstliche Verknappung von Immaterialgütern. Ausserhalb der IT steckt das Open-Source-Prinzip leider noch ziemlich in den Kinderschuhen, so auch in der Pharma – von Open Source unter Copyleft-Bedingungen ganz zu schweigen.

    Hierbei zentral: Sog. freizügige (permissive) Open-Source-Lizenzen sind nur die "halbe Miete". Die zusätzliche Freiheit, die die Abwesenheit einer Copyleft-Klausel eröffnet, besteht einzig darin, nicht kooperieren zu müssen bzw. eigen- statt gemeinnützig handeln zu dürfen. Ich würde sie daher als eine klassisch "neoliberale" Freiheit bezeichnen, also eine, deren Gebrauch immer jemand anderes schlechter stellt und damit niemals pareto-effizient sein kann.

  • "Big Tech"-Unternehmen verstehen diese Zusammenhänge in aller Regel sehr gut. Während es sehr wohl möglich ist, funktionierende Geschäftsmodelle rund um Copyleft-Projekte zu bauen, kann die Kommerzialisierung von Immaterialgütern zwangsläufig niemals zum höchstmöglichen Gemeinwohl führen – und gemeinwohlorientiertes Handeln umgekehrt niemals zum höchstmöglichen Profit. Die erfolgreichsten bzw. am schnellsten wachsenden Big-Tech-Unternehmen haben schon länger den eleganten "Workaround" des Lock-In-basierten Plattformkapitalismus entdeckt1. Sie kooperieren überall, ausser in der Zugänglichmachung/Interoperabilität ihres Hauptgeschäftsfeldes, in der Regel geschlossene Plattformen. Aus gesellschaftlicher Perspektive ist ein solches Wirtschaftsmodell vermutlich wünschenswerter als die klassische "freie Marktwirtschaft", in der einfach alle mit allem konkurrieren und die in Folge fehlender Vernetzung/Kooperation der Konkurrenten zu weitaus weniger Innovation/Fortschritt führt.

    Das Problem: Netzwerkeffekte wirken je stärker, desto geschlossener die Plattform (Geschlossenheit lässt sich dabei über die Wechselkosten für die Nutzerinnen quantifizieren). Die logische Folge davon im Kapitalismus ist eine wirtschaftliche Konzentration im Massstab GAFAM.

    Der einzige wirklich wirksame Mechanismus dagegen scheint mir die Erzwingung von Föderation zu sein. So wie das Copyleft-Prinzip die vier Freiheiten der Freie-Software-Definition erzwingt und damit schützt, müsste eine Policy entwickelt werden, die den offenen Zugang zu digitalen Netzwerken sicherstellt. Also gewissermassen eine Universalisierung von Netzneutralität. Eine Policy, die im Wesentlichen besagt, du musst dein Netzwerk föderalistisch gestalten bzw. darfst die Föderation deines Netzwerkes in keiner Weise behindern.

    Eine praktische Umsetzung einer solchen Policy stellt die Cryptographic Autonomy License dar, welche aus der Feder der Holochain-Entwickler stammt. Es handelt sich dabei um eine Open-Source-Copyleft-Software-Lizenz, welche auch die Rechte an gewissen durch die Software erzeugten/bearbeiteten Daten (private Schlüssel der NutzerInnen) regelt und damit möglichen Föderations-Barrieren vorbeugen möchte. Dabei bedient sie sich eines urheberrechtlichen Kniffs rund um die öffentliche Auf-/Vorführung von Werken. Eine kurze, lesenswerte Einordnung der Lizenz, welche in der Open-Source-Lizenz-Community durchaus umstritten ist, findet sich hier.

Was bedeutet das nun für die DigiGes

Ich erachte die DigiGes-Charta für digitale Grundrechte als sehr gelungen! Was mir allerdings fehlt, sind zwei klare Forderungen bzw. Präzisierungen:

  1. Statt nur freier Software sollte freie Software unter Copyleft-Bedingungen gefordert werden.

    <dream>

    Konsequenterweise sollte eigentlich gar Copyleft-Open-Source für jegliches geistiges Eigentum gefordert werden. Um im "Digitalen" zu bleiben (und auch etwas davon abzulenken, wie sozialistisch diese Forderung im Endeffekt ist), könnte man das allenfalls auf digitalisierbares geistiges Eigentum o.ä. einschränken. (Ja, vermutlich ist jede Form geistigen Eigentums digitalisierbar... 😜)

    </dream>

  2. Neben der Forderung nach offenen Standards sollte eine nach föderierten Protokollen stehen mit dem Ziel eines Fediverse.

Erwähnenswerte Bausteine für ein Fediverse

Weitere Informationen

  • Die NPO Federated Networks Association sammelt und verbreitet Wissen rund um föderierte Webprojekte und bietet Unterstützung in diesem Bereich an.

  • Im Bereich der Git-Webdienste wie GitHub, -Lab und Co. ist ForgeFed zu erwähnen. Laut Eigenbeschrieb:

    ForgeFed (formerly GitPub) is a decentralized federation protocol based on the W3C's ActivityPub, which extends ActivityStream 2.0. It provides a server to server API for pull request, forking and subscription of repositories provided by Git web services (services like GitHub, GitLab, Gogs, Gitea).

    Hier findet sich eine (veraltete?) Übersicht zu den geplanten technischen Spezifikationen und Implementierungen, zur Dokumentation sowie Finanzierungsplänen und hier das (inaktive?) GitHub-Repo des Projektes. Stand April 2022 scheinen sich entspechende Aktivitäten hin zum Forgefriends-Projekt verschoben zu haben.

  • Oder auch Radicle, das statt die zentralisierten Code-Kollaborationsplattformen um Föderation zu erweitern, diese gleich ganz durch dezentrale Protokolle ersetzen möchte! Hier findet sich Dokumentation dazu.

  • Jay Graber hat im Januar 2021 für das von Twitter-Gründer Jack Dorsey ins Leben gerufene "Bluesky"-Projekt eine umfangreiche Ecosystem Review dezentraler Social-Networking-Technologien verfasst.

  • Die Entwicklung sicherer dezentraler/föderierter Systeme wirft auch zusätzliche Probleme auf, wie etwa David Rosenthal in einem Blogeintrag mit Referenz auf Moxie Marlinspike beschreibt.

Footnotes

  1. Pointiertere Stimmen wie jene Rohan Kumars sprechen statt von vendor lock-in von Nutzer-Domestizierung. Ich wage allerdings zu behaupten, dass die allermeisten Nutzer:innen überhaupt nicht gezähmt zu werden brauchen, zumal sie meist über keine substanziellen Erwartungen und damit Kritikfähigkeit verfügen, welche ihr ungezähmtes Alter Ego befähigen würde, dem Unternehmen gefährlich zu werden.

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