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Die Begründung des Optimismus aus dem Willen zum Leben
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Zwei Dinge hat das Denken zu leisten: uns aus der naiven zur vertiefen Welt- | |
und Lebensbejahung zu füren und uns von ethischen Regungen zu einer | |
denknotwendigen Ethic gelangen zu lassen. | |
Vertiefe Welt- und Lebensbejahung besteht darin, dass wir den Willen haben, | |
unser Leben und alles durch uns irgendwie beeinflussbare Sein zu erhalten und | |
auf seinen höchsten Wert zu bringen. Sie verlangt von uns, dass wir alle | |
Ideale der materiellen und geistigen Vervollkommnung des Menschen, der | |
Gesellschaft und der Menschheit denken und uns durch sie zu stetem Wirken und | |
stetem Hoffen bestimmen lassen. Sie erlaubt uns nicht, uns auf uns selber | |
zurückzuziehen, sondern gebietet uns, allem, was sich um uns herum ereignet, | |
ein lebendiges und soweit als möglich tätiges Interesse entgegenzubringen. | |
Durch Beziehung auf die Welt Unruhe haben, wo wir durch Zurückziehen auf uns | |
selber Ruhe haben könnten: dies ist's, was uns die tiefere Welt- und | |
Lebensbejahung auferlegt. | |
Unsere Laufbahn beginnen wir in unbefangener Welt- und Lebensbejahung. Der | |
Wille zum Leben, der in uns ist, gibt sie uns als etwas Selbsverständliches | |
ein. Aber wenn dann das Denken erwacht, tauchen die Fragen auf, die uns das | |
bisher Selbsverständliche zum Problem machen. Welchen Sinn deinem Leben geben? | |
Was willst du in der Welt? Bei der damit anhebenden Auseinandersetzung zwischen | |
dem Erkennen und dem Willen zum Leben reden die Tatsachen mit verwirrenden | |
Einsichten auf diesen ein. Mit tausend Erwartungen, sagen sie, lockt uns das | |
Leben, und erfüllte kaum eine. Und die erfuüllte selber ist fast eine | |
Enttäuschung; denn nur vorgestellte Lust ist wahrhaft Lust; in der erfüllten | |
regt sich immer schon die Unlust. Unruhe, Enttäuschung und Schmerz sind unser | |
Los in der kurzen Spanne Zeit, die zwischen unserm Entstehen und Vergehen | |
liegt. Das Geistige ist in einer grausigen Abhängigkeit von dem Körperlichen. | |
Sinnlosen Ereignissen ist unsere Existenz ausgeliefert und kann von ihnen in | |
jedem Augenblick vernichtet werden. Der Wille zumLeben gibt mir Trieb zum | |
Wirken ein. Aber es ist mit dem Wirken, als ob ich mit dem Pfluge das Meer | |
pflügen und Samen in diese Furchen säen wollte. Was haben die, die vor mir | |
wirkten, erreicht? Was für eine Bedeutung hat das, was sie erstrebt haben, in | |
dem unendlichen Weltgeschehen? Mit allen seinen Vorspiegelungen will der Wille | |
zum Leben mich nur dazu verleiten, mein Dasein weiterzufristen und Wesen, denen | |
dasselbe armselige Los beschieden ist wie mir, ins Dasein treten zu lassen, | |
damit das Spiel immer weitergehe. | |
Die Erkenntnisse, auf die der Wille zum Leben gestossen wird, wenn er zu denken | |
anfängt, sind also durchweg pessimistisch. Es ist nicht von ungefähr, dass | |
alle religiösen Weltanschauungen, mit Ausnahme der chinesischen, mehr oder | |
weniger pessimistisch lauten und den Menschen nichts von diesem Dasein zu | |
erwarten heissen. | |
Wer will uns da wehren, von der uns verliehenen Freiheit Gebrauch zu machen und | |
das Dasein von uns zu werfen? Jeder denkende Mensch macht mit diesem Gedanken | |
Bekanntschaft. Wir lassen uns tiefer mit ihm ein, als wir es voneinander ahnen, | |
wie wir ja alle viel mehr von den Rätseln des Daseins bedrängt sind, als wir | |
uns anmerken lassen. | |
Was bestimmt uns, solange wir noch einigermassen bei Besinnung sind, den | |
Gedanken, unserm Dasein ein Ende zu setzen, abzuweisen? Ein instinktiver | |
Widerwille gegen diese Tat. Der Wille zum Leben ist stärker als die | |
pessimistische Erkenntnis. Instinktive Ehrfurcht vor dem Leben ist in uns, denn | |
wir sind Wille zum Leben.... |
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