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@wejrowski
Last active August 29, 2015 14:11
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Die Begründung des Optimismus aus dem Willen zum Leben
Zwei Dinge hat das Denken zu leisten: uns aus der naiven zur vertiefen Welt-
und Lebensbejahung zu füren und uns von ethischen Regungen zu einer
denknotwendigen Ethic gelangen zu lassen.
Vertiefe Welt- und Lebensbejahung besteht darin, dass wir den Willen haben,
unser Leben und alles durch uns irgendwie beeinflussbare Sein zu erhalten und
auf seinen höchsten Wert zu bringen. Sie verlangt von uns, dass wir alle
Ideale der materiellen und geistigen Vervollkommnung des Menschen, der
Gesellschaft und der Menschheit denken und uns durch sie zu stetem Wirken und
stetem Hoffen bestimmen lassen. Sie erlaubt uns nicht, uns auf uns selber
zurückzuziehen, sondern gebietet uns, allem, was sich um uns herum ereignet,
ein lebendiges und soweit als möglich tätiges Interesse entgegenzubringen.
Durch Beziehung auf die Welt Unruhe haben, wo wir durch Zurückziehen auf uns
selber Ruhe haben könnten: dies ist's, was uns die tiefere Welt- und
Lebensbejahung auferlegt.
Unsere Laufbahn beginnen wir in unbefangener Welt- und Lebensbejahung. Der
Wille zum Leben, der in uns ist, gibt sie uns als etwas Selbsverständliches
ein. Aber wenn dann das Denken erwacht, tauchen die Fragen auf, die uns das
bisher Selbsverständliche zum Problem machen. Welchen Sinn deinem Leben geben?
Was willst du in der Welt? Bei der damit anhebenden Auseinandersetzung zwischen
dem Erkennen und dem Willen zum Leben reden die Tatsachen mit verwirrenden
Einsichten auf diesen ein. Mit tausend Erwartungen, sagen sie, lockt uns das
Leben, und erfüllte kaum eine. Und die erfuüllte selber ist fast eine
Enttäuschung; denn nur vorgestellte Lust ist wahrhaft Lust; in der erfüllten
regt sich immer schon die Unlust. Unruhe, Enttäuschung und Schmerz sind unser
Los in der kurzen Spanne Zeit, die zwischen unserm Entstehen und Vergehen
liegt. Das Geistige ist in einer grausigen Abhängigkeit von dem Körperlichen.
Sinnlosen Ereignissen ist unsere Existenz ausgeliefert und kann von ihnen in
jedem Augenblick vernichtet werden. Der Wille zumLeben gibt mir Trieb zum
Wirken ein. Aber es ist mit dem Wirken, als ob ich mit dem Pfluge das Meer
pflügen und Samen in diese Furchen säen wollte. Was haben die, die vor mir
wirkten, erreicht? Was für eine Bedeutung hat das, was sie erstrebt haben, in
dem unendlichen Weltgeschehen? Mit allen seinen Vorspiegelungen will der Wille
zum Leben mich nur dazu verleiten, mein Dasein weiterzufristen und Wesen, denen
dasselbe armselige Los beschieden ist wie mir, ins Dasein treten zu lassen,
damit das Spiel immer weitergehe.
Die Erkenntnisse, auf die der Wille zum Leben gestossen wird, wenn er zu denken
anfängt, sind also durchweg pessimistisch. Es ist nicht von ungefähr, dass
alle religiösen Weltanschauungen, mit Ausnahme der chinesischen, mehr oder
weniger pessimistisch lauten und den Menschen nichts von diesem Dasein zu
erwarten heissen.
Wer will uns da wehren, von der uns verliehenen Freiheit Gebrauch zu machen und
das Dasein von uns zu werfen? Jeder denkende Mensch macht mit diesem Gedanken
Bekanntschaft. Wir lassen uns tiefer mit ihm ein, als wir es voneinander ahnen,
wie wir ja alle viel mehr von den Rätseln des Daseins bedrängt sind, als wir
uns anmerken lassen.
Was bestimmt uns, solange wir noch einigermassen bei Besinnung sind, den
Gedanken, unserm Dasein ein Ende zu setzen, abzuweisen? Ein instinktiver
Widerwille gegen diese Tat. Der Wille zum Leben ist stärker als die
pessimistische Erkenntnis. Instinktive Ehrfurcht vor dem Leben ist in uns, denn
wir sind Wille zum Leben....
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